Filibuster-Kompromiss im US-Senat

Im Streit um die Nominierung konservativer Richterkandidaten gelingt Republikanern und Demokraten eine Einigung. Letztere fühlen sich als Sieger, weil das Instrument des Filibusters erhalten bleibt. Die nächste Machtprobe ist nur eine Frage der Zeit

AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK

Die Bombe ist nicht geplatzt. Die „nukleare Option“, wie Senatoren im US-Kongress eine Totalblockade der parlamentarischen Arbeit nennen, ist vorerst abgewendet. Mit einem Kompromiss in letzter Minute fand der Senat einen Ausweg aus dem explosiven Streit um die von Präsident Bush nominierten konservativen Richterkandidaten und bewahrte so seine Handlungsfähigkeit.

Eine Gruppe moderater Senatoren aus den Reihen von Republikanern und Demokraten stellte den Kompromiss am Dienstagnacht vor. Er sieht vor, dass drei der Richterkandidaten vom Senat rasch bestätigt werden und zwei weitere dem Verfahren des „Filibusters“ unterworfen werden sollen. Damit ist ihre Kandidatur zum Scheitern verurteilt.

Mit dem Handel wird die von den Republikanern geforderte Abstimmung über Bushs Kandidaten für US-Bundesgerichte möglich. Die Opposition kann andererseits auch künftig den „Filibuster“ nutzen. Dieses Instrument der Dauerrede hat das Ziel, ein Votum zu verhindern, das nur mit 60 der 100 Stimmen im Senat gestoppt werden kann. Auf diese Weise verhinderten die Demokraten in Bushs erster Amtszeit die Ernennung von zehn Richtern.

Die Republikaner, die im Senat über 55 Sitze verfügen, wollten diese alte, ihnen lästige, Hausregel daher abschaffen und über Richter künftig nur noch mit der einfachen Mehrheit von 51 Stimmen entscheiden. Die Demokraten geißelten dieses Unterfangen als „arroganten Machtmissbrauch“ und feierten die nächtliche Entscheidung als ihren Sieg. Die republikanische Parteiführung zeigte sich weniger glücklich. Schließlich musste sie die größere Kröte schlucken, hatte sie doch darauf gepocht, alle Richter mit einer normalen Abstimmung durchsetzen und die Weichen für die Schlacht um Neubesetzungen im Obersten Gerichtshof stellen zu können.

Atmosphärisch ist der überparteiliche Konsens zunächst ein erfrischender Bruch mit dem ideologischen und polarisierten Grabenkrieg, der die Politik in der US-Hauptstadt seit Jahren bestimmt. Er zeigt, dass „für ein gemeinsames höheres Ziel“, wie es der Demokrat Joe Lieberman formulierte, Allianzen geschmiedet werden können. Das verbreitet Hoffnung im Hinblick auf andere entscheidende Debatten und Reformvorhaben wie der Rentenversicherung.

Fraglich ist allerdings, wie lange der Kompromiss tragen wird. Die Nagelprobe könnte schon im Sommer kommen, wenn Bush einen möglicherweise frei werdenden Posten im Obersten Gerichtshof zu besetzen hat. Er wird einen Kandidaten wählen, der seine Haltung in Fragen von Abtreibung, Sterbehilfe oder gleichgeschlechtlicher Ehe teilt und das Kräftegleichgewicht im „Supreme Court“ zugunsten der Konservativen verschiebt. Schwer vorstellbar, dass die Demokraten dies kampflos hinnehmen. Sollten moderate Republikaner diesmal der Parteidisziplin folgen, hilft den Demokraten nur, erneut die Notbremse mit dem „Filibuster“ zu ziehen. Spätestens dann kommt es zur entscheidenden Machtprobe.