Knast statt Therapie

PROZESS Zu einer Haftstrafe verurteilte das Amtsgericht einen HIV-positiven Einbrecher. Zuerst hieß es, der Junkie habe den Hausbesitzer gebissen

B. habe mehrfach versucht, sich sukzessive mit Drogen umzubringen, so der Richter.

Wegen Wohnungseinbruchs und versuchten Diebstahls hat das Amtsgericht den Polen Wojiciech B. am Montag zu elf Monaten Haft verurteilt. Der 29-jährige Heroinabhängige war vergangenen Juni durch ein gekipptes Dachfenster in ein Wohnhaus in Huchting eingestiegen – auf der Suche nach Wertgegenständen zur Drogenbeschaffung. Bei seiner Flucht aus dem Haus kam es zu einer Rangelei zwischen B. und dem Hausbesitzer Ahmed H. Dabei soll B., der an Hepatitis B erkrankt und HIV-infiziert ist, Ahmed H. in die Hand gebissen haben.

„Breit“ sei er während des Einbruchs gewesen, sagte B. vor der Schöffenkammer. Der Vorwurf der Körperverletzung wurde vom Gericht jedoch fallengelassen: Achmed H., der als Zeuge auftrat, war sich nicht sicher, ob seine Wunde tatsächlich von einem Biss stammte. „Wir haben gerangelt“, räumte Wojiciech B. ein, „aber gebissen habe ich ihn nicht.“ Eine Blutuntersuchung ergab keine Infektionen bei H.

Für Wojiciech B. war dies nicht die erste Anklage. Um seine Drogensucht zu finanzieren, beging er Wohnungseinbrüche, klaute Laptops, Kameras oder Kleidung. In den vergangenen beiden Jahren war er mehrfach in Untersuchungs- und Strafhaft. Vor neun Jahren machte er die erste stationäre Drogentherapie, bekam zeitweise Methadon, erlitt immer wieder Rückfälle.

Dreimal wurden Haftbefehle ausgesetzt: Einmal war B. in Haft lebensgefährlich erkrankt. Ein zweites Mal, weil er einen Platz zum Drogenentzug hatte. „Aber er wurde rückfällig, weil er zu schnell vom Methadon runterdosiert wurde“, sagte der Vorsitzende Richter. Vergangenen April wurde B. erneut aus der Haft entlassen – um eine weitere Therapie zu beginnen. Und wurde wieder rückfällig. Weil er dies seinem Therapeuten gestand, wurde die Therapie nicht abgebrochen, sondern ausgesetzt. Mitte September könnte B. weitermachen. Deshalb forderte sein Verteidiger eine Bewährungsstrafe – denn die Wahrscheinlichkeit, im Gefängnis mit Drogen in Berührung zu geraten, sei äußerst hoch.

Das Gericht zeigte sich davon unbeeindruckt und verurteilte Wojiciech B. zu elf Monaten Haft. Eine Bewährung komme derzeit nicht in Frage, sagte der Richter. Als Drogenabhängiger habe B. mehrfach die Möglichkeit gehabt, vom Konzept „Therapie statt Strafe“ zu profitieren – „ein Vorteil, den andere Süchtige nicht haben“. Doch bei B. seien alle Versuche bisher „schiefgegangen“, er habe gar mehrfach versucht, „sich sukzessive mit Drogen umzubringen“. Nun, so befand der Richter, sei B. „in der Bringschuld.“

Wojiciech B. wurde direkt nach der Verhandlung verhaftet. Um seine Therapie fortzusetzen, muss er eine Zurückstellung der Strafe beantragen. Dass das Gericht einem solchen Antrag zustimmen solle, werde er ins Urteil schreiben, sagte der Richter. „Mehr kann ich nicht für sie tun.“

ANNA GRAS