piwik no script img

Wenn Nazi-Opas große Töne spucken

Auf der Karl-Marx-Straße in Berlin-Neukölln kommt der Herbst langsam an, neben Müll liegt nun auch Laub am Straßenrand. In der Abenddämmerung spaziere ich die Straße entlang und telefoniere auf Türkisch. Ich muss lauter sprechen als sonst, weil die Ohren meines Opas nicht mehr ganz funktionsfähig sind. Er aber akzeptiert das Altwerden nicht und will kein Hörgerät.

Ein älterer Herr kommt mir entgegen, anscheinend genervt von meinem lauten Telefonat. Er stellt sich vor mich hin und spuckt mir vor die Füße. Während noch die Reste seiner Spucke am Mundwinkel hängen, schreit er: „Lernt doch endlich Deutsch, keinen Respekt habt ihr. Ausländergesocks seid ihr!“

Berlin-­Neukölln

163.735 Ein­wohn­er:innen,

davon sind 80.000 Deutsche mit Migrations­hintergrund. Bis 1920 war Neukölln eine eigenständige Stadt, die bis 1912 den Namen Rixdorf trug.

Es ist schwer, in solchen Situationen ruhig zu bleiben. Doch ich erkläre ihm in ruhigem Ton und in perfektem Hochdeutsch die Definition von Respekt und dass sein Verhalten in der Tat sehr respektlos war. Der Herr ist schockiert über meine Belehrung, murmelt aber weiter vor sich hin: „Scheiß Ausländer, geht zurück.“ Ein Passant gesellt sich zu uns und fragt: „Wie? Sind jetzt die Nazis auch auf der Karl-Marx-Straße unterwegs?“ Derya Türkmen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen