Sozialdemokraten in Schweden: Ärger um Partei-Glücksspiel

Ein handfester Skandal um Losverkäufe erschüttert die schwedischen Sozialdemokraten. Parteichefin Magdalena Andersson muss sich erklären.

Magdalena Anderson lehnt an einem Tisch auf dem Mikrophone von Journlisten stehen

Parteivorsitzende Magdalena Andersson bei einer Pressekonferenz zum Skandal um die Lotterie der Sozialdemokraten am 17.09.2024 Foto: Claudio Bresciani/TT/imago

Härnösand taz | Unmoralische Verkaufsmethoden, Verbindungen zur organisierten Kriminalität: Nach Tagen peinlicher Enthüllungen rund um das sozialdemokratische Lotterie-System sah sich Magdalena Andersson doch noch genötigt, persönlich Stellung zu nehmen. Sie sei tief enttäuscht und wütend, erklärte die Chefin der schwedischen Sozialdemokraten in Stockholm.

Ein vom parteieigenen Glücksspielunternehmen Kombispel beauftragtes Callcenter mit Sitz in Barcelona hatte sehr alte Menschen angerufen und am Telefon unter Druck gesetzt, Lose zu kaufen, wie Recherchen der Zeitung Dagens Nyheter (DN) ergaben. Auch soll das Personal vertuscht haben, dass es sich um Abonnements handelte. Als wäre das nicht genug, berichteten dann die Zeitungen Expressen und Svenska Dagbladet, dass mehrere Ex-Mitarbeiter des Callcenters Verbindungen zur Bandenkriminalität hätten.

So sei einer darunter, der in diesem Sommer in Schweden zu 14 Jahren Haft unter anderem wegen Beihilfe zu einem Mordversuch verurteilt wurde. Das alles passiert, nachdem die traditionelle Lotterie der Sozialdemokraten mit ihren jährlichen Millioneneinnahmen dieses Jahr schon komplett infrage gestellt wurde – von der Regierung. Sie hatte zur Legalität dieser Geldquelle eine Untersuchung in Auftrag gegeben.

Diese kam zwar nicht zu dem Ergebnis, dass Partei-Lotterien verboten werden müssten, aber die liberal-konservativen Moderaten und die rechtsextremen Schwedendemokraten (SD) haben ein solches Verbot bis heute nicht ausgeschlossen.

„Korruptes System“ bei Sozialdemokraten?

SD-Wirtschaftspolitiker Tobias Andersson hatte im Frühjahr gesagt, er wolle den „Sozen“ diesen Geldhahn zudrehen. Gegenüber DN sprach er von einem „korrupten System“ der Sozialdemokraten. Damals sagte deren Parteichefin, dies sei nichts als ein Versuch, den politischen Gegner zum Schweigen zu bringen. Lotterien stehen theoretisch allen Parteien als Einnahmequelle zur Verfügung, aber die Sozialdemokraten sind seit Jahrzehnten am aktivsten.

Sie sei nicht vorrangig in Sorge wegen der Folgen des Callcenter-Skandals für ihre Partei, behauptete Andersson. Sie denke vor allem an die Senioren, die ans Telefon gegangen seien und ein unangenehmes Erlebnis gehabt hätten. Die Tragweite des Problems sei ihr erst durch die Medien bekannt geworden. DN hatte zuvor berichtet, dass Teile der Parteiführung bereits vor einem Jahr Hinweise auf unlautere Methoden beim Telemarketing bekommen hätten.

So waren Beschwerden über aggressive Verkaufsgespräche etwa bei Joakim Jonsson gelandet, Schatzmeister der Partei und verantwortlich für die Lotterie-Firma. Er erklärte nun, die Beschwerden an die Firmenleitung weitergegeben zu haben, woraufhin Verträge mit externen Dienstleistern aufgelöst worden seien. Offenbar wurden dann neue geschlossen mit dem nun im Fokus stehenden Callcenter.

Die Partei tauschte Vorstand und Geschäftsführer von Kombispel aus. Sie gab zudem bekannt, dass der Verkaufsweg über externe Callcenter eingestellt werde. Die neue Leitung der Firma werde den Auftrag bekommen, reinen Tisch zu machen und dafür zu sorgen, „dass die Firma von sozialdemokratischen Werten durchdrungen wird“, sagte Andersson. Die politischen Gegner sind nicht überzeugt. „Hier schiebt man die Schuld der Geschäftsführung in die Schuhe, und dann soll alles normal weiterlaufen“, so Moderaten-Generalsekretärin Karin Enström. Statt nur Personal auszutauschen, sollten die Sozialdemokraten dem Problem auf den Grund gehen.

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