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: „Vater Staat zeigt, wo es langgeht“

Wie rechts ist der Antifeminismus? Das will ein Gesprächsabend in Hamburg ausleuchten

Interview Fanny Schuster

taz: Frau Kessler, was verbindet antifeministische Rhetorik mit rechtspopulistischer Ideologie?

Sarah Kessler: Das Bild dahinter ist das gleiche: Bei Rechtskonservativen, Rechtspopulisten und vor allem bei Rechtsextremisten steht immer ein starker Staat im Vordergrund. Vater Staat, der zeigt wo es langgeht; der kriegerisch ist, sich verteidigen kann und das absolute Sagen hat. Der Staat als Vaterfigur in einem sehr patriarchalen Rollenbild.

taz: Was ist mit prominenten rechtspopulistischen bis neofaschistischen Politikerinnen wie Alice Weidel, Marine Le Pen, Giorgia Meloni?

Kessler: Sie sind der beste Beweis, dass auch Frauen repressive frauenfeindliche Politik machen können. Gerade auch, was das Thema Queerfeindlichkeit angeht oder das Rollenbild, dass Frauen zu Hause an den Herd gehören.

taz: Haben die Rechten einfach verstanden, dass es ohne Frauen nicht geht?

Kessler: Wichtig ist, nicht nur auf Geschlechter zu schauen, sondern auf die Strukturen der Macht. Die zentrale Frage lautet: Wie wird Macht ausgeübt? Wird sie genutzt, um benachteiligte Gruppen zu unterstützen, oder dient sie dazu, traditionelle Rollenbilder zu zementieren? Frauen in Machtpositionen garantieren keine feministische Politik. Wenn ich Kon­kur­ren­t*in­nen wegtreten kann, kann ich mich isoliert stark machen – davon profitieren auch privilegierte Frauen.

taz: Lösen allzu emanzipierte Frauen Ängste aus?

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Sarah Kessler *1993, Journalistin, Autorin und Feministin, arbeitet zu gesellschaftlichen Debatten der Gegenwart. Sie lebt in Hamburg.

Kessler: Es geht nicht primär um individuelle „zu emanzipierte“ Frauen, sondern um systemische Veränderungen, die Ängste auslösen können. Rechtspopulismus ist nicht mit der Idee der Gleichberechtigung kompatibel und kann sich auch gegen einzelne Frauen in Machtpositionen richten. Angela Merkel ist dafür ein interessantes Beispiel: Trotz ihrer langen Amtszeit hat sie kaum feministische Politik betrieben, verkörperte eher eine Anpassung an bestehende Strukturen. Daher hat sie bei vielen Antifeministen weniger Widerstand ausgelöst.

taz: Wer trägt dann bei zum rechten Erstarken?

Kessel: Es ist die Angst vor Veränderung, Existenz und Machtverlust. Die zunehmende Vielfalt an Lebensentwürfen und Identitäten verunsichert viele Menschen in ihrem traditionellen Selbstverständnis. Die Frage „Wer bin ich?“ wird komplexer, wenn plötzlich mehr Optionen zur Verfügung stehen. Das kann zu Verunsicherung führen.

taz: Antifeminismus als Ergebnis einer Krise der Männlichkeit?

Kessler: Das kann man schon so sagen. Die Hinterfragung des Bildes vom „starken, gefühllosen Mann“ führt bei manchen zu Irritationen, was eine notwendige Debatte über Männlichkeit anstößt. Problematisch wird es, wenn diese Verunsicherung in Radikalisierung umschlägt.

Diskussion „Sex – Wut – Volk. Antifeminismus und Rechtspopulismus – Gefährliche Verbindungen“ mit Sarah Kessler und Marcel Lewandowsky (Politikwissenschaftler): heute, 19 Uhr, Jupiter, Hamburg (Eintritt frei)

taz: Warum gewinnt der Populismus an Einfluss, während der Feminismus verliert?

Kessler: Wir leben in einer Welt, in der die Krisen sich extrem schnell abwechseln: Corona, der Ukraine-Krieg, Israel/Gaza, der Klimawandel. Die Zukunft ist nicht mehr so gewiss, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg für eine Weile schien, da sehnen sich viele Leute nach einfachen Antworten.

taz: Gibt es eine einfache Lösung?

Kessler: Jeder Mensch hat einen Wirkungsrahmen. Es muss nicht immer der ganz große Kampf sein, manchmal reicht ein wenig Aufmerksamkeit. Wenn man in Gesprächen sexistische, rassistische, antisemitische oder homophobe Bemerkungen hört, sollte man nicht aus Bequemlichkeit darüber hinwegsehen: Hellhörig sein, Hilfe anbieten und betroffenen Personen Solidarität aussprechen, das ist die Devise.