piwik no script img

berliner szenenEtsy-Duft ohne Konsens

Freitag, 21 Uhr. Ich liege auf der Couch und schaue schon die dritte Folge. Ich drücke auf Pause, strecke mich und frage mich, ob ich wirklich zu Hause bleiben wollte. Wie bestellt ruft mich meine beste Freundin an. Ich bin auf einer Verlobungsfeier. Ich drehe durch. Komm vorbei. Hol mich ab.

Wie neugeboren verlasse ich die Couch, ziehe die Jogginghose aus und trage den Lippenstift auf. Ich hole meine Freundin ab – sie drückt mir eine geräucherte Bratwurst in die Hand, Mitbringsel von der Party. Das ist die wahre Liebe – die Freundin, die aus der Ferne meine Gedanken liest und mir dann noch ein guilty pleasure mitbringt.

Happy Hour Cocktails, ab in den kleinen queeren Klub unserer Wahl. Einige Drinks, einige Klobesuche und eine adoptierte Baby-Queer später haben wir auf der Tanze – zu den Klängen des Disco-Acid-KPop-Vomit-House-Punk – eine höhere Bewusstseinsebene erreicht. Meine Freundin und ich tanzen ganz zufällig im Kreis mit zwei anderen. Plötzlich kommt ein Geruch auf: süß, artifiziell, stechend, stickig. Wie schauen uns um und sehen, dass die eine Unbekannte aus unserer Tanzgruppe eine kleine Sprühflasche in ihre Tasche steckt. Meine Freundin fragt höflich, was das für einen Geruch sei. Es rieche wie eine Weihnachtskerze. Nach Karstadt-Haushaltsabteilung oder so. Die Unbekannte neigt sich zu uns und quietscht freudig: Ich habe es bei Etsy gekauft!

Und bevor wir noch was dazu sagen können, besprüht sie uns jeweils dreimal. Wir grinsen sie an. Zwei Minuten später rennen wir würgend die Treppe hoch und aus dem Club heraus. Der Abend ist vorbei. Wir gehen getrennt unsrer Wege, aber eilen beide stracks nach Hause, um sofort die Klamotten in die Waschmaschine zu schmeißen und unter die Dusche zu springen.

Nina Kashi Street

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen