berliner szenen
: Dazwischen gähnt die Leere

Niemand singt unter der Dusche, niemand lächelt jemanden an, die wenigsten sagen „Hallo“, wenn man sich mit Handtuch und Wasserflasche in der Hand begegnet. Fast 30 Tage habe ich noch vor mir, um Zeit an diesem seelenlosen Ort zu verbringen. So nenne ich ihn, auch wenn ich selbst den Vertrag dafür unterschrieben habe – zum ersten Mal in meinem Leben. Meine Orthopädin motivierte mich dazu. Sie meinte, ich könnte meinen Oberkörper trainieren, solange ich wegen meines Kreuzbandrisses meine Beine nicht belasten darf. Also habe ich mich bei einem Frauen-Fitnessstudio um die Ecke angemeldet.

Am Anfang versuche ich, die Trainingsgeräte lustig zu finden und mir vorzustellen, dass ich ein Raumschiff steuere oder dass sich meine Orthese mit den Maschinen anfreundet. Doch das funktioniert nur bedingt. Die Farben im Studio sind grau und pink, die Beleuchtung ist weiß, und durch die Milchgläser sieht man weder den Rathausturm noch die Dächer Neuköllns, nicht einmal ein Stückchen Himmel. Am meisten überrascht mich aber, dass die anderen auch keinen Spaß an ihren Routinen zu haben scheinen. Auch wenn sie sich vor dem Spiegel fotografieren oder aus dem Zumba-Kurs strömen, sehe ich keine glücklichen Gesichter. Sie werfen sich schiefe Blicke zu; geschwollene Lippen, künstliche Wimpern und Make-up sind allgegenwärtig. Zwischen den Geräten starren sie auf ihre Handys oder ins Leere.

Lebendiger wird es, wenn jemand mit einem Kinderwagen auftaucht und durcheinandergelacht wird. Oder wenn eine Gruppe älterer Frauen erscheint, die sich von einem Ende des Zimmers zum anderen schreiend unterhalten. Sie machen zusammen Spinning, und wenn die Trainerin fragt: „So, Mädels, bereit?“, würde ich am liebsten laut antworten: „Ja!“

Luciana Ferrando