10. Geburtstag des Blogs „10 nach 8“: Feministische Aufschreie

Politisch und poetisch ist das Blog „10 nach 8“, für das Frauen über politische wie private Themen schreiben. Nun feiert es 10-jähriges Jubiläum.

Mit Helium gefüllter Konfetti-Ballon in pfirsichfarbener Flaumfarbe.

Der Blog „10 nach 8“ spiegelt seit 10 Jahren die Stimmen von bisher 600 Frauen wider: ein Grund zum Feiern Foto: Myrlyandiya/imago

Für manche ist es 5 vor 12, für andere 10 nach 8. Zumindest für jene 600 Frauen, die regelmäßig die Kolumne „10 nach 8“ auf Zeit Online zu dem machen, was sie ist: ein kleines feministisches Juwel in der Medienlandschaft. Jetzt feiert das Blog-Kollektiv sein zehnjähriges Jubiläum – und gibt aus diesem Anlass eine Anthologie mit 30 der 1.500 bislang erschienenen Texte heraus, die im Frühjahr 2025 erscheint.

Zehn Jahre „10 nach 8“, das sind nicht nur Texte ausschließlich von Frauen aus ihrem eigenen oder dem Leben anderer Frauen, das ist auch ein Blick auf Deutschland und die Welt. So schreiben seit einigen Jahren verstärkt syrische, afghanische, iranische, belarussische Frauen, sie bringen Flucht- und Diskriminierungserfahrungen mit, erzählen von Krieg und Sexismus, von Verlust und Neuanfang.

Grundsätzlich ist die Themenwahl überaus breit: Osteuropa, DDR, Kinder, Sex, Familie, Science-Fiction, Sport, Psychologie, Alter – im Grunde alles, was Frauen in ihrem Alltag umgibt, umtreibt, ärgert.

Nicht jeder Text ist für jede gleichermaßen interessant, aber jeder erfüllt die Kategorien, mit denen sich „10 nach 8“ selbst beschreibt: politisch, poetisch, polemisch.

Da schreibt etwa die kroatische Schriftstellerin Slavenka Drakulić über ihre Freundin in der Ukraine und dass sich Länder auf einen Krieg vorbereiten können, Menschen aber weniger. Da erzählt die in der Schweiz lebende Rundfunkautorin Hannah Krug über Russen in Estland und dass sie für Putins Angriffskrieg auf die Ukraine bezahlen müssen. Da denkt die Polin Patricia Friedek über den Frauentag in ihrem Heimatland nach.

Gescheiterte Fat-Acceptance-Bewegung und Sommerblues

Es geht auch um Themen wie Homeoffice, Tränen, Dating-Shows auf Netflix, Weihnachten. Die in Leipzig lebende Literaturkritikerin Marlen Hobrack kritisiert die Fat-Acceptance-Bewegung als gescheitertes Social-Media-Phänomen; Elke Brederick, die in Berlin Deutsch unterrichtet, bekommt den Sommerblues bei dem Besuch ihrer alten Heimatstadt Halle an der Saale in Sachsen-Anhalt; Rebecca Maria Salentin regt sich auf, dass Outdoorsport noch immer Männersache ist. Sie selbst war 2.700 Kilometer gewandert und 10.000 Kilometer Rad gefahren.

Das Besondere an den „10 nach 8“-Macherinnen ist, dass sie nicht ausschließlich Journalistinnen und Autorinnen sind, sondern in ihren Berufen so divers wie in ihrer Herkunft: Wissenschaftlerinnen, Mitarbeiterinnen in politischen Einrichtungen, Künstlerinnen, Unternehmerinnen. Das ist kein Zufall, sondern Absicht.

Als das „10 nach 8“-Kollektiv vor über zehn Jahren entstand, war das ein ausdrückliches Ziel, sagt Annett Gröschner, eine der Gründerinnen: „In unseren Augen waren Frauen zu wenig präsent, in den Talkshows, in den Akademien, in der Politik. Wir wollten zeigen, dass es ausreichend kompetente Frauen gibt – man muss sie nur finden und sie machen lassen.“

So entstand die Idee, diesem Anspruch ein öffentliches Podium zu geben. Frank Schirrmacher, damals Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, bot dem Blog-Kollektiv ein mediales Zuhause, am 11. November 2013 erschien die erste Kolumne, sie stammte von Annika Reich, Essayistin und Aktivistin.

Gegenpol zu misogynen Ergüssen

Schon damals ausschließlich online und unter dem Titel „10 vor 8“. Der morgendliche feministische Aufschrei war zudem ein Gegenpol zu misogynen Ergüssen wie den von Don Alphonso, der mit seinem Blog kaum eine Gelegenheit ausließ, gegen Frauen, Linke, Andersdenkende zu wettern.

Nach Schirrmachers Tod im Juni 2014 zog das Blog um zu Zeit Online, heißt seitdem „10 nach 8“ und erscheint abends, zunächst dreimal, später zweimal wöchentlich, aktuell einmal in der Woche, ästhetisch bebildert, liebevoll präsentiert.

Von den zehn Gründerinnen sind noch sechs dabei, alle betreuen das Projekt nebenberuflich. Sie sammeln Themen ein, betreuen die Autorinnen, redigieren, schreiben selbst. „Es ist mühseliger geworden“, sagt Annett Gröschner: mehr Social-Media-Kanäle, die intensiver gepflegt werden müssen, ein neuer Insta-Account, der bespielt werden will.

Wie werden die nächsten zehn Jahre von „10 nach 8“ sein? Elisabeth Wellershaus, Theaterwissenschaftlerin, „10 nach 8“-Redakteurin und Lektorin (gemeinsam mit Caroline Kraft) der Jubiläumsanthologie, ist zurückhaltend optimistisch: „Hoffentlich noch diverser, abseitiger und weiterhin so offen wie möglich.“

Annett Gröschner ist vorsichtiger: „Wer weiß, ob es dann überhaupt noch Zeitungen gibt.“ Das aber kann „10 nach 8“ egal sein, das Blog kennt ja nichts anderes als online only.

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