Verkehrsplanung mit Spielwiese

Auf der Plattform Mobil-O-Mat konnten Dresdner Bürger sich als Verkehrsplaner ausprobieren. Bald werden die Ergebnisse vorgestellt

Von Michael Bartsch

Dresden zeigt, wie es geht“ ist eigentlich ein Pegida-Slogan. Aber die Stadtverwaltung hat die ewigen Meckerer, die „Ningler“, wie die Sachsen sagen, von der Straße beim Wort genommen. Und zwar genau beim Thema Straße. Die Dresdner Verkehrsentwicklungsplanung im grün geführten Geschäftsbereich Bau und Verkehr hat bereits im Juli 2021 den „MOBI­dialog 2035+“ gestartet. Eine basisdemokratische Mitplanungsveranstaltung, die sich etwa vierteljährlich trifft, geleitet von Oberbürgermeister Dirk Hilbert.

In dem 62-köpfigen Gremium stellen 25 ausgewählte Bürger und 18 Mitglieder von Initiativen, Verbänden und Vereinen die größten Vertretergruppen. Acht kommen aus den Stadtratsfraktionen, ebenso viele stellen Verwaltung, Verkehrsträger und der wissenschaftliche Fachbeirat zusammen. „Obendrüber“ ein Moderator und zwei Fachbürgermeister.

Die Auswahl der Direktvertreter „des Volkes“ erinnert an einen Bürgerrat. Tausend zufällig ausgewählte Einwohner wurden zu einer Bewerbung eingeladen, hundert folgten diesem Aufruf. Eine Repräsentativität ist dabei nicht garantiert, es beteiligten sich etwa mehr Männer als Frauen.

Bei dem Projekt geht um nicht weniger als die strategische Ausrichtung der städtischen Verkehrsplanung für etwa ein Jahrzehnt. In Dresden kommt man mit dem Auto noch vergleichsweise gut vorwärts. Außerhalb der Rushhour kann man wochentags sogar noch bis zu 30 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit erzielen. Aber laut dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club ADFC ist Dresden für Radfahrer die gefährlichste Stadt Deutschlands.

Schon im Dezember 2022 gab es eine digitale Bürgerbefragung, an der sich etwa 3.000 Dresdner beteiligten. Die städtischen Verkehrsplaner haben zudem ein Mitwirkungstool geschaffen. Ein Online-Planspiel, das sogar in der Schweiz aufmerksam registriert wurde. 6.300 Bürgerinnen und Bürger beteiligten sich bis März am Mobil-O-Mat, durften selbst Verkehrsplaner spielen und regten mit Kommentaren an. Voraussichtlich in der zweiten Septemberwoche werden die Ergebnisse vorgestellt.

„Die Leute sollen durchaus unsere Arbeit machen“

Frank Fiedler, Verkehrsplaner der Stadt Dresden

„Im Prinzip sollen die Leute durchaus unsere Arbeit machen“, sagt der Abteilungsleiter in der Verkehrsplanung, Frank Fiedler. Nicht ganz, denn übersichtlich aufbereitet haben er und sein Sachgebietsleiter Axel Wittkuhn den Stoff schon. 14 Leitziele des Mobilitätsplans haben sie auf 4 komprimiert. Die Kriterien „Klimaschonende Mobilität“, „Sozial, gesund und sicher unterwegs“, „Stadtverträgliches Verkehrssystem“ und „Erreichbarkeit bei ökonomischer Stabilität“ finden sich im Online-Tool auf der linken Bildschirmseite. Dem stehen rechts 50 ausgewählte Einzelmaßnahmen gegenüber, die unterschiedliche Verkehrsformen begünstigen. Und selbstverständlich etwas kosten, wofür die Online-Mitplaner ein symbolisches Budget von 500 Euro einsetzen konnten.

In der Mitte liegt sozusagen die Spielwiese. Auf deren Wabenfeldern konnte man die persönlich favorisierten Maßnahmen einsetzen, bis der Etat verbraucht ist. Durch erhöhte Parkgebühren oder eine City Maut beispielsweise konnte man sein Budget aber auch aufbessern. Welche der hehren Ziele man damit vorrangig bedient, zeigen links Balkendiagramme an. „Es gewinnt nicht, wer ausschließlich den Radverkehr präferiert, und eine Straßenbahnverlängerung ist nun einmal am teuersten“, sagt Axel Wittkuhn.

Er spricht von der „Szenarienphase“, für die man eine interessante Beteiligungsform gesucht habe. Eine dritte Runde sei für die konkrete Umsetzung zu ­erwarten. Entscheiden werden allerdings weder die Mitplaner am Mobil-O-Mat noch die Pla­nungs­pro­fis, sondern dafür ist der Stadtrat zuständig. Im Jahr 2026 soll er den Mobilitätsplan beschließen. Fiedler gibt sich selbstbewusst: „Wir haben jetzt einen großen Schatz daliegen. Politiker denken, sie wüssten, was Wähler glauben – wir wissen es jetzt!“