Stahlkonzern in der Transformation: Chaos bei Thyssenkrupp

Zentrale Führungskräfte schmeißen hin. Klappt es mit der grünen Zukunft für das Stahlgeschäft des Industrieriesen?

Die Stahlarbeiter haben Angst um ihre Jobs wegen dem Missmanagment bei Thyssenkrupp Foto: Federico Gambarini/dpa

BERLIN taz | Exodus bei Thyssenkrupp: Gleich sieben Spitzenkräfte in der Stahlsparte des deutschen Industriekonzerns schmeißen hin. Am Donnerstagabend verkündete Sigmar Gabriel, ehemaliger Vizekanzler für die SPD, seinen Rückzug als Chef des Aufsichtsrats von Thyssenkrupp Steel Europe (TSKE). Mit ihm zusammen gehen auch sein Stellvertreter, der Gewerkschafter Detlef Wetzel, sowie die Aufsichtsratsmitglieder Elke Eller und Wilfried Schäffer.

Letzte Amtshandlung: Die Zustimmung zu Aufhebungsverträgen dreier TSKE-Vorstandsmitglieder, die ebenfalls kapitulieren. Chef Bernhard Osburg sowie die Ma­na­ge­r*in­nen Markus Grolms und Heike Denecke-Arnold verlassen das Unternehmen. Damit ist der Vorstand nun nur noch zweiköpfig.

Die Abtrünnigen machen der Führung des Mutterkonzerns Thyssenkrupp schwere Vorwürfe: Gabriel sprach am Donnerstagabend von einer „beispiellosen Kampagne“ und einem „schweren Vertrauensbruch“ von Konzernchef Miguel López gegenüber dem Vorstand der Stahlsparte. „Offenbar war es das Ziel, den Vorstand zur Aufgabe zu bewegen“, so Gabriel.

Der Streit entbrennt darüber, wie das Tochterunternehmen fit für die Zukunft wird. Die muss vor allem grüner sein als bisher: Die Herstellung von Stahl ist klimaschädlich. Das passt nicht dazu, dass Deutschland 2045 klimaneutral werden und seine Treibhausgas-Emissionen auch schon vorher rapide reduzieren muss.

Billig-Konkurrenz aus Asien

Der schlechte CO2-Fußabdruck kommt einerseits durch den hohen Strombedarf bei der Produktion, den teils noch fossile Energieträger decken. Das wäre vergleichsweise einfach über die Nutzung erneuerbarer Energien zu ändern. Der Großteil der Emissionen kommt aber aus dem Produktionsprozess selbst und zwar bei der Verbrennung von Koks. Das heißt: Es muss eine ganz neue Art der Herstellung her.

Dazu will TKSE in Duisburg eine sogenannte Direktreduktionsanlage bauen, in der mit Wasserstoff „grüner“ Stahl hergestellt werden soll. Die hohen Investitionskosten von insgesamt 3 Milliarden Euro werden die Stahlproduktion unter diesen neuen Vorzeichen erst mal teurer machen. Die neue Anlage wird auch erst einmal nur einen von vier Hochöfen ersetzen, eigentlich wären also noch viel höhere Investitionen nötig. Derweil ist die Marktlage generell schwierig. Die Auto-Industrie fragt weniger Stahl nach und die asiatische Konkurrenz bietet Billigpreise.

Vorstandschef Osburg hatte im Frühjahr einen Restrukturierungsplan vorgelegt. Er wollte die Produktion um ein Fünftel drosseln und nicht genau bezifferte Teile der 27.000 Stellen abbauen. Ein rotes Tuch für die zuständige Gewerkschaft, die IG Metall – aber auch für Thyssenkrupp-Chef López. Anders als der Gewerkschaft gingen ihm die Pläne allerdings nicht weit genug. Das kritisierte er lautstark öffentlich.

Die Gewerkschaft ärgert sich

Der Mutterkonzern will sich zudem stärker von der kriselnden Stahlsparte lösen. Noch hält er 80 Prozent der Anteile. Auf dem übrigen Fünftel hatte sich vor kurzem der tschechische Milliardär Daniel Křetínský eingekauft, dem unter anderem die Kraftwerke und Tagebaue in den ost- und mitteldeutschen Kohlerevieren gehören. Eine Aufstockung auf 50 Prozent ist geplant. Wie genau das ablaufen soll und wie viel Geld Thyssenkrupp noch in das Stahlgeschäft steckt, ist Teil des Konflikts zwischen Mutter- und Tochterkonzern.

Die Gewerkschaft ärgert sich über das Chaos. „Gut ein Jahr nach dem Amtsantritt von Herrn López als CEO stehen wir vor einem Scherbenhaufen“, sagte Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall, der als Vizechef im Thyssenkrupp-Aufsichtsrat sitzt. Kein einziges Problem sei mit dieser Eskalation gelöst. „Im Gegenteil: Alles verschiebt sich, Lösungsansätze werden erschwert“, so Kerner.

Zu den Projekten, denen er wenig Vorankommen attestiert, zählt auch die Direktreduktionsanlage. „Das Kostenmanagement für den Bau der DRI-Anlage? Mir nicht bekannt“, so der Gewerkschafter.

Dabei wird das Projekt sogar massiv vom Staat gefördert, der zwei Drittel der Investitionssumme zahlt. „Wir gehen davon aus, dass dieses Projekt so umgesetzt wird, wie es verhandelt wurde, auch mit der Europäischen Kommission“, sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums der taz am Freitag. Noch sei die vereinbarte Summe nicht komplett geflossen, die Zahlungen seien an bestimmte Projektfortschritte gekoppelt. Allerdings seien schon „substanzielle Schritte“ gegangen worden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.