Manifest für den Tag danach

PARIS taz ■ Wenn das „Non“ siegt, stürzt Europa ins Chaos und wird Frankreich isoliert. So die zentralen Argumente der Verfassungsbefürworter. Kein Partner solle zudem eine grundsätzlich andere EU-Verfassung aushandeln. Schon gar keine sozial verbindlichere. Wenn die Franzosen die Verfassung zu Fall bringen sollten, würde die Verfassung noch liberaler werden.

Dem stehen die „Vorschläge für einen europäischen Neubeginn“ gegenüber. Sie stammen von Verfassungsgegnern – darunter der Gründer und Chef von Attac, Wirtschaftswissenschaftler, Grüne und Kommunisten. Sie sind überzeugt, dass auch in den Nachbarländern der Wunsch nach einer anderen EU existiert. Unter anderem fordern sie gemeinsame soziale und arbeitsrechtliche Normen und Verfassungsgarantie, dass Harmonisierungen in der EU grundsätzlich nur nach oben stattfinden. Sie verlangen gemeinsame soziale und steuerliche Regeln, die sich an der „menschlichen Entwicklung“ orientieren, und eine Politik, die jährliche Ziele für die Senkung und Abschaffung der Arbeitslosigkeit fixiert, von der mindestens 60 Millionen Menschen in der EU betroffen sind. Im Zentrum ihres neuen institutionellen Konstruktes soll allein die demokratische Tradition der Union – und keine weitere Ideologie – stehen. Das Europaparlament soll volle legislative Kompetenzen bekommen und auch die Europäische Zentralbank kontrollieren. Der Einfluss der Kommission soll beschnitten werden – insbesondere bei der Wettbewerbspolitik und bei internationalen Verhandlungen.

Für die direkte Zukunft schlagen sie zehn „Sofortmaßnahmen“ vor: Darunter die Aufkündigung des „Stabilitätspaktes“, der gegenwärtig eine Haushaltsdisziplin (3 Prozent als Defizitgrenze) festlegt, den Mitgliedsländer als Argument für Sozialkürzungen benutzen. Die Befreiung der öffentlichen Dienste vom Wettbewerbsprinzip. Die Herausnahme von Erziehung, Gesundheit und Kultur aus internationalen Handelsverhandlungen. Und die Streichung der Schulden der Dritten Welt. DORA