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: „Es gab in der J­u­ry auch hitzige Diskussionen“

Die Stücke, die beim Hildesheimer Theater- und Performancefestival „Transeuropa“ zu sehen sind, haben erstmals Bür­ge­r:in­nen ausgewählt

Interview Lisa Bullerdiek

taz: Paolo Artisi, Leonie Friedel und Katharina Schadenhofer, das Thema des Festivals ist „Making Space“. Für wen oder was wollen Sie Platz schaffen?

Paolo Artisi: Zum einen werden wir nicht nur klassische Theaterorte bespielen. „Sodom“ von Arno Verbruggen etwa wird in einer alten Lagerhalle in der Hildesheimer Nordstadt stattfinden. Das „Dance Gathering“ wird sich durch die Innenstadt bewegen. Und das Stück „Terminus“ wird in der Wartehalle des Hauptbahnhofs aufgeführt. Außerdem haben wir seit Beginn des Jahres einen leerstehenden Laden in der Fußgängerzone gemietet. Kulturvereine durften den Raum nutzen und wir weisen dort gut sichtbar auf das Festival hin.

taz: Platz geschaffen haben Sie aber auch zum ersten Mal für eine Bürger:innenjury?

Leonie Friedel: Ja, wir wollten, dass das Festival von Menschen besucht und gestaltet wird, die sonst nie mit Performancekunst in Berührung gekommen sind. Deshalb hat eine Jury aus Hildesheimer Bür­ge­r:in­nen ausgesucht, wen wir einladen. Das war ein großes Experiment. Das ist in der bisherigen Geschichte dieses Festivals niemals vorgekommen. Umso glücklicher bin ich, was dabei herausgekommen ist.

taz: Wie lief das konkret ab?

Leonie Friedel, Paolo Artisi und Katharina Schadenhofer sind Teil des fünfköpfigen Leitungsteams des Transeuropa-Festivals. Sie studieren am Kulturcampus der Uni Hildesheim.

Friedel: Wir haben 14 Bür­ge­r:in­nen aus Hildesheim ausgesucht. Unser wichtigstes Kriterium war, dass sie beruflich nichts mit Theater oder Performance zu tun haben dürfen. Herausgekommen ist eine Jury zwischen 20 und 65 Jahren mit ganz unterschiedlichen Erfahrungen und Positionen. Wir haben als Festivalleitung vorher einen Aufruf gestartet. Performancekünstler:innen aus ganz Europa konnten sich bewerben, wir haben 170 Bewerbungen bekommen. Aus dieser Auswahl hat die Jury dann zehn Programmpunkte ausgewählt.

taz: Haben Sie als Festivalleitung darauf Einfluss genommen?

Artisi: Wir haben die Jurysitzungen moderiert, aber uns inhaltlich nicht eingebracht. Die Jury hat vorher an Workshops teilgenommen, um etwas über Kuration zu lernen. Die Jurygespräche waren unglaublich offen. Die Mitglieder haben sehr detailliert über ihre Kunsterfahrungen und Hintergründe gesprochen. Das war schön zu sehen, auch wenn es manchmal natürlich auch hitzige Diskussionen gab. Die ­Juryarbeit ist für einige zu einem wichtigen sozialen Bezugspunkt geworden, sie schauen auch oft bei uns im Laden vorbei.

taz: War es schwierig für Sie, diese Rolle abzugeben? Kuration gehört ja zu den schönsten Arbeiten, wenn man ein Festival organisiert.

Theater- und Performance festival „Transeuropa“: heute bis So., 15. 9., Hildesheim, diverse Orte; Infos und Programm: transeuropa-festival.de

Artisi:Eigentlich nicht, denn ich merke jetzt schon, was es für eine Symbolkraft hatte, diese Rolle abzugeben. Die Jurymitglieder waren dankbar, dass wir ihnen diese Chance ­gegeben haben. Ich fiebere natürlich auf das Festival hin, aber die schönste Arbeit ist schon getan und darüber freue ich mich. Das Experiment ist geglückt.

taz: Kann die Arbeit der Jury auch ein Vorbild für das Hildesheimer Publikum sein, das vielleicht auch wenig Erfahrung mit Performance hat?

Katharina Schadenhofer: Es ist, als würde die Bürger:innenjury dem Publikum vorleben, wie es sein kann, sich mit Performance zu beschäftigen. Ein Programmpunkt bei dem Festival ist auch ein Gespräch mit Mitgliedern der Jury. Dort können sie noch einmal berichten, wie der Prozess für sie war. Wir hoffen, dass die nächste Festivalleistung in drei Jahren dieses Konzept übernehmen wird.