Gegen schlechte Arbeitsbedingungen: Mehrere Monatsgehälter vorgestreckt

Ein Pizza-Lieferfahrer wurde mit Lohnzurückhaltung bestraft. Er kämpft vor dem Arbeitsgericht und wird vom Arbeitskampf-Fonds PayDay unterstützt.

Ein Roboter der Firma Domino's fährt während einer Präsentationsfahrt durch Berlin-Charlottenburg - die kleinen Fahrzeuge wurden 2022 wochenlang getestet

Der will gar keinen Lohn: Ein Roboter der Firma Dominos fährt während einer Präsentationsfahrt durch Charlottenburg (2022) Foto: dpa/Annette Riedl

Berlin taz | Am Dienstag wurde vor dem Arbeitsgericht Berlin zum ersten Mal ein Fall verhandelt, bei dem der Kläger von dem neuen Arbeitskampf-Fonds PayDay unterstützt wird. Kabir (Name geändert) war Lieferfahrer der Pizzakette Dominos. Er sagt, er sei von der Firma mit Lohnzurückhaltung bestraft worden, weil er sich intern bei seinem Vorgesetzten über die schlechten Arbeitsbedingungen beschwert hätte. Laut der Klage gegen Dominos schuldet der Pizzadienst Kabir mehrere Monatsgehälter. Um ihm die Zeit bis zur Gerichtsverhandlung finanziell zu überbrücken, hat der Verein PayDay den Betrag vorgestreckt.

Dominos hat zwar einen Vergleich vorgelegt. Doch Kabir lehnte aufgrund der darin enthaltenen Verschwiegenheitsklausel ab. „Es ist wichtig, dass man seine Stimme gegen Ungerechtigkeiten erhebt“, sagt er nach der Verhandlung. Statt der vertraglich zugesicherten 12 bis 20 Stunden habe er in Spitzenzeiten im Winter bis zu 50 Stunden pro Woche schuften müssen, und zwar ohne Pause. Dafür arbeitete er in ruhigeren Zeiten weniger als vertraglich vorgesehen – und bekam damit auch weniger Lohn. Auch die Zeiten während des Wartens auf neue Kundenbestellungen seien widerrechtlich nicht bezahlt worden.

Über schlechte Arbeitsbedingungen zu sprechen und sie so zu politisieren, ist für den Verein PayDay der springende Punkt: „Schweigeverträge sollen Angestellte davon abhalten, über ihre schlechten Arbeitsbedingungen zu berichten“, sagt PayDay-Gründer Raphael Kamps. Lohnzurückhaltung sei „eine Form von Union Busting, darüber müssen wir mehr reden“, so Kamps weiter. Eine Bedingung für einen Lohnvorschuss von PayDay ist dann auch, dass man sich im Betrieb für die Rechte von Angestellten eingesetzt hat. Darüber hinaus soll man bereit sein, die Fälle auch vor Gericht auszufechten.

Erfahrung mit Arbeitskämpfen

PayDay wurde im Juni 2023 von einer Gruppe ehemaliger Rider und Hostelangestellten gegründet. Alle hatten Erfahrung mit Arbeitskämpfen gesammelt und zum Teil versucht, einen Betriebsrat zu gründen. Aus dieser Zeit wüssten sie, dass Lohnzurückhaltung ein beliebtes Mittel ist, unliebsame Angestellte finanziell und emotional zu zermürben.

Wer Miete bezahlen muss, gebe sich eher mit einem Vergleich über nur einen Teil des geschuldeten Lohns zufrieden und akzeptiere vielleicht auch eine Schweigeklausel, statt sich auf einen über Monate oder Jahre hinziehenden Gerichtsprozess einzustellen. Auch die überlasteten Gerichte mögen Vergleiche, schließlich ersparen sie Arbeit.

Zahltag gegen LohnklauDer Start des PayDay-Fonds ist erst einmal gesichert. Denn das von Ridern des Supermarktlieferdienstes Gorillas gegründete Gorillas Workers Collective (GWC) hatte mit dem Niedergang der Firma zwar ihre Hauptaufgabe verloren. Allerdings war nach erfolgreichen Spendenaufrufen die Streikkasse gut gefüllt. Dieses Geld hat GWC nun an PayDay gespendet, damit das Geld weiterhin für Arbeitskämpfe eingesetzt werden kann. GWC-Aktivisten gehören auch zu den Gründern des Vereins.

Kabir ist nach der Ablehnung des Vergleichs am ersten Tag vor Gericht guter Dinge. Die eigentliche Gerichtsverhandlung folgt nun erst später. Was, wenn er verliert? „Dann war der Lohnvorschuss eine Schenkung, kein Darlehen“, sagt Raphael Kamps. Das Wichtigste sei: Kämpfen.

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