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: „Kirchen kann man nicht einfach abreißen“

Der Architektursommer in Lübeck fragt, wie mit aufgegebenen Kirchenbauten weiter verfahren werden soll

Interview Wilfried Hippen

taz: Herr Simonsen, was bedeutet „Kirchendämmerung“?

Jörn Simonsen: In Lübeck stehen mehrere Kirchen kurz vor der Schließung. Wir wollen darüber diskutieren, welchen Wert sie als Räume in den Stadtteilen haben.

taz: Zum Auftakt der Reihe zeigen Sie den Dokumentarfilm „Architektur der Unendlichkeit“. Was zeigt er?

Simonsen: Dies ist der emotionale Auftakt zu unserer Veranstaltungsreihe. Der Film beschäftigt sich mit sakralen Bauten, und da es ihn ihm auch um Spiritualität in der Architektur geht, zeigen wir ihn, um gleich am Anfang eine höhere Flughöhe zu erreichen.

Foto: privat

Jörn SimonsenJg. 1967, ist stellvertretender Vorsitzender des Architekturforums Lübeck.

taz: Wie kann der Film dies erreichen?

Simonsen:Indem er eine Sensibilität dafür schafft, dass Kirchen keine Bauten sind, die man einfach mal so abreißen kann. Denn er zeigt, dass Kirchenräume oft eine Aura haben und in ihnen eine Energie enthalten ist. Man kennt das selber: Wenn man eine Kirche betritt, dann hat man ein besonderes Gefühl für den Raum und seine Qualität. Kirchen sind schon durch ihr Volumen und die spezielle Architektur besondere Räume. Und wir fragen, ob man nicht mehr darüber nachdenken muss, ob man solche Räume abreißen will.

taz: Schauen Sie sich die betroffenen Kirchen auch selbst an?

Kinoabend „Architektur der Unendlichkeit“: heute, 18 Uhr, Kommunales Kino Lübeck

Architektursommer Lübeck zum Thema „Kirchendämmerung“: Fr, 13. 9., 17 Uhr, Dreifaltigkeitskirche Kücknitz; Sa, 14. 9., 14 Uhr, Kreuzkirche St. Jürgen; Programm: https://t1p.de/7b5y6

Simonsen: Bei unserem „Architektursommer 2024“ treffen wir uns am nächsten Wochenende in den Vorstädten und schauen uns zwei von diesen Kirchen an. Dort treffen wir uns mit Bürgerinnen und Bürgern und gehen mit ihnen durch die Stadtteile auf die Kirche zu. Das ist eine Annäherung mit den Füßen. In Gesprächen erkunden wir dann die Gemütslage in den Gemeinden. Wir fragen, wo der Schuh drückt und warum überhaupt erwogen wird, diese Kirche zu schließen. Und wir diskutieren, ob wir noch analoge Orte in einer digitalen Welt brauchen.

taz: Es gibt also nicht nur bei Ihnen ein Unbehagen über dieses Verschwinden von Gotteshäusern aus dem Stadtbild?

Simonsen: Ja, eine von den Kirchen, die wir besuchen, ist zum Beispiel die Kreuzkirche. Da hat die Kirchenleitung einer Baugenossenschaft angeboten, ihnen die Kirche abzukaufen. Doch die Genossenschaft hat dann gesagt: „Lasst uns das umgekehrt machen: Ihr reißt sie ab und wir kaufen dann danach das leere Grundstück.“ Daran merkt man, dass keiner für den Abriss verantwortlich sein will.