Chaos beim Schulessen: Kinder kommen hungrig heim

Ein neuer Groß-Caterer für Schulen hat Probleme Essen zu liefern. Kritik, er habe sich übernommen, weist er zurück: Schuld sei das Vergabeverfahren.

Ein leer gegessener Teller mit Messer und Gabel

Das hat aber schon geschmeckt: ein Teller in einer Weddinger Schule im Jahr 2015 Foto: Florian Gaertner/photothek.net

Berlin taz | Der Speisenplan des Humboldt-Gymnasiums in Tegel klingt nicht schlecht: Am Dienstag gibt es „mediterrane Gemüsepfanne mit Kichererbsen, dazu gebackene Ofenkartoffeln und Joghurt-Dip (100 Prozent Bio)“ oder „Kokos-Gemüse-Curry mit Bio-Linsen, Bio-Karotte, Bio-Sellerie und Bio-Brokkoli, dazu Bio-Vollkornreis“. Dazu wird „Handobst“ und „Rohkost“ gereicht. Oder auch nicht.

Denn Dutzende Berliner Schulen, nicht nur das Humboldt-Gymnasium, haben in der ersten Woche nach den Ferien kein, zu wenig, kaltes oder ungenießbares Mittagessen geliefert bekommen. Schulleiter wurden mit Beschwerden von Eltern überschüttet und schrieben zurück, dass sie in den nächsten Tagen ihren Kindern bitte genügend Brote einpacken sollen, weil die Essensversorgung derzeit nicht gewährleistet sei.

Betroffen sind Einrichtungen, die seit neuestem durch den Caterer 40 Seconds beliefert werden. Dieser hat nach eigenen Angaben im aktuellen Vergabeverfahren „das Los“ für 103 Schulen gezogen, was 38.000 bis 40.000 Essen pro Tag bedeute. Dieses enorme Wachstum, im vorigen Schuljahr lieferte 40 Seconds rund 5.000 Essen pro Tag aus, konnte der Caterer offenbar nicht stemmen.

Drohung mit fristloser Kündigung

Aus der Politik hagelt es Kritik. Staatssekretär Torsten Kühne (CDU) habe im Gespräch mit dem Caterer „umgehend einen Zeitmaßnahmeplan gefordert, um kurzfristig Abhilfe zu schaffen“, erklärte ein Sprecher der Bildungsverwaltung. Aus den Bezirken heißt es, die Probleme seien „gravierend“, „teilweise extrem“: nicht nur habe Essen gefehlt oder sei Stunden zu spät geliefert worden, auch an Ausgabepersonal habe es gefehlt. Der Neuköllner Bezirksamtssprecher Christian Berg sagte zur taz, „in einzelnen Fällen war auch das gelieferte Essen ungenießbar, es gab Gemüse mit Schimmel, Suppe war wässrig, Essen schmeckte verbrannt, Brot war tiefgekühlt“.

Man erwarte in dieser Woche eine spürbare Verbesserung – ansonsten schließe man eine fristlose Kündigung nicht aus, heißt es aus Neukölln sowie aus Steglitz-Zehlendorf. Pankows Schulstadtrat Jörn Pasternack (CDU) ergänzte, es würden „Abmahnungen ausgesprochen sowie Ersatzvornahmen geprüft“. Marzahn-Hellersdorf prüft ebenfalls „rechtliche Schritte“.

Das Unternehmen weist den Vorwurf zurück, man habe sich übernommen, über Anwälte ließ Geschäftsführer Thorsten Schermall eine Erklärung verbreiten. Der Tenor: Schuld seien Verzögerungen im Vergabeverfahren. Man habe teils erst in den Sommerferien die Zuschläge bekommen „zu einem Zeitpunkt, zu dem die Ansprechpartner in den Schulen und Bezirksämtern sowie das Bestandspersonal urlaubsbedingt nicht erreichbar waren“. Nur dadurch komme es „an vereinzelten Schulen“ zu Verzögerungen bei der Auslieferung, von minderer Qualität des Essens will er gar nichts hören.

Dass die Vergabe mit eine Rolle gespielt haben kann bei den Problemen, sieht auch der Schulstadtrat von Marzahn-Hellersdorf, Stefan Bley (CDU). „Die Vergabe wurde aufgrund von Klagen und Fristen relativ spät zugesagt“, sagte er der taz. Sein Pankower Kollege und Parteifreund Pasternack ergänzte, das Vergaberecht sei nicht gemacht für die Art und Weise, wie in Berlin Schulcaterer ausgewählt wurden: nämlich nicht nach dem Preis sondern über eine „Bewertung von Dritten“, also den Schulen.

Schulen bewerten Speisekarten

Diese Bewertung erfolgte dieses Mal nicht mehr wie zuvor über Testessen an den Schulen – diese Methode war von unterlegenen Bewerbern bei der Vergabekammer moniert worden. Dieses Mal mussten Bewerber eine Speisekarte für 20 Tage vorlegen, die die Schulen bewerteten. Dass die Essen 5,17 Euro kosten und die Zutaten Bio-Standards erfüllen sollen, war zudem festgelegt. Ausgeschrieben war die Essenslieferung für 430 Berliner Grundschulen und grundständige Gymnasien.

Aber auch diese Auswahlmethode hatte offenbar ihre Tücken: Bei der Vergabekammer sind aktuell 53 „Nachprüfungsverfahren“ durch unterlegene Bieter anhängig. Schon länger kritisieren Schulen, dass sie wegen der Vergaberichtlinien beliebte Caterer nicht einfach behalten dürfen.

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