Fritz Eckenga
: Schweiß und Schwein

Nur kurz einige spätsommerliche Anmerkungen zu aktuellen, gerade noch hitzebedingt verursachten Wahrnehmungen im öffentlichen Raum. Ach, verzeihen Sie bitte, ich wollte es gar nicht so hochgestochen formulieren, es ist mir deutlich zu kompliziert herausgetropft.

Eigentlich ist es viel einfacher, sogar ziemlich banal. Ums kurz zu machen: Ich habe etwas gehört. Kürzlich. Kürzlich war es sehr heiß, und es war stickig, und es war in der von transpirierenden und entsprechend würzig in die Umgebung ölmenden Menschen sehr vollgemachten U-Bahn. Dort, wo sich die Stammstrecken unterirdisch kreuzen. Aber das nur nebenbei.

Nur drei Nasenbreiten von mir entfernt stand ein recht junges Pärchen, eine Sie und ein Er, nicht nur sehr eng aneinander geschmiegt, sondern auch sehr im eigenen Saft. Und da habe ich es dann gehört. Das, was sie deutlich wahrnehmbar zu ihm sagte. Lieb und zugeneigt und verständnisvoll und richtiggehend zärtlich: „Puh – du stinkst wie’n Schwein.“

Ich stank also direkt neben den beiden und war geneigt, der jungen Frau laut und deutlich zuzustimmen. Ich konnte mich aber noch so eben zurückhalten, weil mir zum Glück klar wurde, dass das nicht nur ziemlich unwoke gewesen wäre, sondern darüber hinaus ausgesprochen schweineverachtend.

Denn das Schwein schwitzt ja nicht. Und sollte das Schwein tatsächlich mal stinken, dann eben auf gar keinen Fall, weil es schwitzt, sondern weil es sich halt zwecks Körpertemperaturregulierung in einem höchst kühlenden Sauhaufen rumgewälzt hat.

Dem Schwein fehlt es nämlich an so einigem. Nicht an Verstand, das nicht, aber zum Beispiel an Schweißdrüsen. Es ist wohl die Schweißdrüse, die den Menschen annehmen lässt, er könne sich über das Schwein erheben. Der Mensch meint, er stänke ausstattungstechnisch von einem höheren Niveau auf das Schwein herunter und dürfe sich ob der in ihm verbauten Schweißdrüsen für etwas Besseres, ja sogar für die Krone der Schöpfung halten.

Wenn der Mensch überhaupt bereit ist, dem Schwein einen gewissen Vorteil gegenüber sich selbst einzuräumen, dann allenfalls den, dass das Schwein wegen der ihm fehlenden Drüsen niemals unter der Menschheitsgeißel Schweißfuß leiden muss. Möglicherweise werden Schweinsfüße auch deswegen hier und da noch vom Menschen gern gegessen.

Dass der Mensch sich angeblich „wie ein Schwein“ benimmt, kann man dem Schwein wahrlich nicht vorwerfen. „Du stinkst wie ein Schwein“ ist ein Vergleich, den sich das Schwein nicht ausgedacht hat. Dafür hat es einen viel zu feinen Charakter. Im Gegensatz zum Menschen, der sich weiß Gott grundlos was auf sich selbst einbildet. Arrogant, eklig und zu allem fähig. Nicht nur, aber auch wegen seiner Drüsen.

So – und jetzt gehe ich mal ganz schnell duschen.