piwik no script img

Die WahrheitDer Meerrabe der Jagdfürsten

Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (201): Kormorane sind fantastisch tauchende Fischjäger und haben deshalb gefährliche Feinde.

Flügeln ausbreiten, Gefieder trocknen: Kormorans Pflicht Foto: dpa

Den Kormoran, was so viel wie „Meerrabe“ bedeutet, gibt es auf allen Erdteilen bis hin nach Grönland, und überall jagt er Fische, wobei er bis zu 16 Meter tief tauchen kann. Deswegen lebt er stets nahe an Küsten und größeren Gewässern. Und deswegen wird er auch von Anglern, Jägern und Fischern nicht nur gehasst, sondern verfolgt. „Im mitteleuropäischen Binnenland war die Art zeitweise fast ausgerottet“, heißt es auf Wikipedia.

Vielleicht hat sich der Bestand in Berlin inzwischen erholt, wir haben jedenfalls am Wannsee, am Müggelsee und auf den Naturschutzinseln Kratzbruch und Insel der Liebe“ vor der Rummelsburger Bucht viele Kormorane gesehen. Sie brüten dort in Kolonien. An der Ostsee sitzen die fast gänsegroßen Vögel gern zu Dutzenden auf den steinernen Wellenbrechern.

„Während der Balzzeit zeigen Kormorane eindrucksvolle Verhaltensweisen. Dazu gehören auffällige Kopfbewegungen, Flügelschlagen und laute Rufe.“ Das kindernetz.de weiß überdies: „Beim Schwimmen liegt ihr Körper tief im Wasser; gleichzeitig halten sie den Schnabel schräg nach oben.“

Kormorane fetten ihr Gefieder nicht ein, was ihnen zwar das Tauchen erleichtert, es aber notwendig macht, sich immer wieder mit ausgebreiteten Flügeln irgendwo hinzusetzen, um ihr Gefieder zu trocknen. Dieses ist überwiegend schwarz, bei Sonnenschein metallisch glänzend. Sie haben einen spitzen Schnabel und smaragdgrüne Augen. „Die in Deutschland heimischen Populationen verbleiben in der Regel auch im Winter als Standvogel hier“, wie heimische-voegel.de berichtet.

Mühsames Zähmen

In China, Korea und Japan werden Kormorane anscheinend nicht wie hierzulande von Anglern und Fischern gehasst, sondern im Gegenteil zum Erbeuten von Fischen genutzt. Dazu werden sie als Küken aus den Nestern genommen und bekommen dann eine Leine ans Bein und/oder einen Ring um den Hals, damit sie den Fisch nicht runterschlucken können. In China arbeiten die Fischer auch mit handaufgezogenen Kormoranen, die sich frei bewegen dürfen. „Das Zähmen von Wildfängen ist mühsam und dauert sieben bis acht Monate bei täglich zwei bis drei Stunden Beschäftigung.“

Die Bilder von Ruderbooten mit Fischern und ihren Kormoranen gehören zur Folklorekunst in diesen Ländern ähnlich wie die von Perlentaucherinnen. „Die Fischer füttern die Kormorane mit kleineren Fischen, Fischstücken oder Garnelen. In Japan wurden Fangleistungen von bis zu 150 Fischen in der Stunde beobachtet. Ihre besten Leistungen erbringen die Kormorane im Alter zwischen drei und acht Jahren. Bis zu zehn Jahre lang werden sie zur Arbeit eingesetzt“, heißt es auf Wikipedia.

In Mazedonien und drumherum „wurde die Kormoranfischerei ab Mitte des 16. Jahrhunderts von Adligen als Freizeitbeschäftigung betrieben und fand häufig auf eigens dafür angelegten Teichen statt. Die Kormorane wurden von Falknern betreut und ähnlich wie Greifvögel bei der Beizjagd auf der Faust getragen. Der Kopf wurde dabei mit einer Haube verhüllt.“ Heute möchte man die Kormoranfischerei in Mazedonien als „Touristenattraktion“ wiederbeleben.

Kormorane benötigen laut einer Studie täglich zwischen 300 und 750 Gramm Fisch. Wikipedia zufolge werden von ihnen „in den deutschen Binnenseen überwiegend die häufig in großen Schwärmen auftretenden Weißfische erbeutet. An Fließgewässern mit höherer Strömungsgeschwindigkeit können neben Karpfenfischen auch Äschen und andere Salmoniden einen größeren Teil der Nahrung bilden.“

Die Literatur dazu ist üppig: Geo online fragte sich 2021: „Der Kormoran: Plage oder Sündenbock?“; das Jahrbuch für Ornithologie veröffentlichte 1998 eine Untersuchung der „Nahrung von Kormoranen in Bayern“ und die Landesämter für Umwelt und Naturschutz in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gaben 2010 beziehungsweise 2022 „Kormoranberichte“ heraus.

Ähnliche Studien gibt es auch in anderen europäischen Ländern. Erwähnt sei ferner ein Bericht in den Vogelkundlichen Heften Edertal mit dem Titel „Waschbären reiben Brutkolonie des Kormorans auf“ (2010). Das passierte auch in Brandenburg. Ähnlich gefährlich werden den Kormoranen und ihren Nestern Adler, Habichte, Uhus, Silbermöwen und Krähen. Wenn sie in Büschen oder auf Tanghaufen brüten sind auch Füchse, Marderhunde und Marder eine Bedrohung. Reiher und Pelikane gelten als ihre Konkurrenten.

Diese Wasservögel haben also nicht nur Angler und Fischer als Feinde, denen sie ihre Fangquoten schmälern, obwohl sie mit den Kormoranen auch kooperieren könnten. So wie in Österreich, Holland und Russland, wo man Kormoranfischerei betrieb.

Widersinnige Aussetzung

In Frankreich gab es das Amt des „garde des Coromorans“. Hierzulande ist es inzwischen noch zu dem Widersinn gekommen, dass die Fischereiämter an Flüssen und Seen, am Wannsee zum Beispiel, Aufzuchtstationen betreiben und die herangewachsenen Fische aussetzen – wo sie dann von den Anglern und Fischern wieder rausgefangen werden.

Die ornithologische Zeitschrift Der Falke veröffentlichte 2010 ein Sonderheft „Der Kormoran als ‚Vogel des Jahres‘“. Darin ist zu erfahren, dass Angler, Fischer und Jäger die Wahl gerade dieses „Unterwasserterroristen“ kritisierten und sie als Provokation empfanden. „Bei der Tagung zum Kormoran als Vogel des Jahres in Ulm kam es zu einer Gegendemonstration von Anglern mit 3.000 bis 4.000 Teilnehmern.“

Überregionale Zeitungen berichteten darüber laut der Berliner Nabu-Pressestelle „durchweg neutral und sachlich, während Lokalblätter meist nur die Anglersicht darstellten“. Diese Presseanalyse ist medienanalytisch interessant, führt hier aber zu weit ab von den sympathischen Kormoranen und den unempathischen Fischquälern, die immer noch davon ausgehen, dass Fische keine Schmerzen empfinden, und bei ihren Fängen lieber auf immer wieder neue Technik setzen, als sich mit den Kormoranen zusammenzutun.

Um der Meinung von Anglern und Fischern entgegenzutreten, dass Kormorane eine schädliche invasive Art seien, die hierzulande nichts zu suchen hat, wurde im Auftrag des Kieler Umweltministeriums eine Studie „Zum vor- und frühgeschichtlichen sowie neuzeitlichen Vorkommen des Kormorans in Schleswig-Holstein und angrenzenden Gebieten“ erstellt. Sie bewies, dass er seit mindestens 7.000 Jahren eine in Europa heimische Vogelart ist, belegt unter anderem durch Funde von Kormoranknochen aus der Beute steinzeitlicher Jäger in Dänemark.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!