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berliner szenenSpielerisch schafft er sich’s drauf

Die Remise der Nachbarn hat eine Jukebox bekommen. Der Bruder des kleinen Remisenschlagzeugers präsentiert sie mir erfahren wie ein Wurlitzer Ingenieur. Drückt lässig den Schalter hinterm Gerät, tippt vorn auf die Tasten 5-0-5, öffnet die Klappe, die sich nicht mehr arretieren lässt, die ich also halte, während er mir das Innenleben erklärt. Geld braucht man keins: Ein Zweimarkstück steckt dauerhaft im Münzeinwurf. Der mit Singles gefüllte Korb beginnt sich nun fast lautlos zu drehen, stoppt abrupt, ein Arm, von uns Kran getauft, schwenkt aus, positioniert sich exakt über der Stelle, an der die einzige pinkfarbene Scheibe steckt, greift sie behutsam und zugleich beherzt, vollführt mit ihr eine halbe Schraube in die Waagrechte, um sie sacht auf den Plattenteller zu legen. Auf diesen Moment wartet schon der Tonabnehmer, der auf den Namen Giraffe hört. Sie befühlt die Platte neugierig so, als wolle sie aus diesem rosa See trinken – wir lachen. Spielt sie.

Ich lasse die Klappe ab, während der Siebenjährige auf der Suche nach noch mehr Kurzweil ist. Das heißt: in null Komma nix einen Winkel aus dem Werkzeugkarton sägen, mit dem quietschgelben Spannungsprüfer hantieren, vom windschiefen Barhocker aus auf Zehenspitzen Diskokugel und Lichterketten anschließen, um dann im Gokart zu flitzen. Die Giraffe trinkt zum vierten Mal Eddy Grants Boys in the Street. Gokart-Disko. Dass ich auf Rollerskates mitflitze, wäre aber gelogen.

Verschlafen springt die Katze vom Sofa, vor dem sich noch immer spröde Feuerwehrschläuche schlängeln. Sucht das Weite. Wir singen, und während ich ihm dabei manches übersetze, frage ich mich, auf welchen Straßen er einmal wandeln, wem er begegnen, was er tun wird. Das Rüstzeug zu bestehen hat er, schafft’s sich täglich drauf. Spielerisch. Felix Primus

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