Erste Handball-Bundesliga: Favorit dank dänischer Dominanz

Nach einer eher mäßigen Vorsaison gilt die SG Flensburg-Handewitt nun als Anwärter auf den Meistertitel, auch wenn ihnen das gar nicht so lieb ist.

Simon Pytlick von der SG Flensburg-Handewitt gibt einem Mitspieler High-Five.

High-Five für alle: Simon Pytlick dürfte zum Schlüsselspieler der SG Flensburg-Handewitt werden Foto: Eibner-Pressefoto/Marcel von Fehrn/imago

Flensburg taz | Es sind nur Spielchen, kleine Neckereien, im Grunde Albernheiten – aber dass die Konkurrenz, wo sie geht und steht, von der ach so favorisierten SG Flensburg-Handewitt spricht, nervt die Flensburger schon ein wenig. Doch woher kommt diese Einschätzung der Magdeburger, Berliner und Kieler, wo die SG doch nur eine mäßige Vorsaison in der ersten Handball-Bundesliga gespielt hat und mit Rang drei abermals die Champions League verpasste?

Das ist relativ simpel. Zum einen haben die Handballspieler aus Flensburg nur einen Neuen hinzubekommen, Niclas Kirkelökke von den Rhein-Neckar Löwen. Der etwas schläfrig wirkende Däne, gerade mit seiner überragenden Nationalmannschaft im Finale gegen Deutschland zum Olympiasieger gekrönt, ist ein taktisch hochflexibler Hybrid-Akteur, der vorn wie hinten mehrere Positionen ausfüllen kann. Die Gruppe der Dänen im Kader der SG ist nun noch größer geworden – Kapitän Johannes Golla ist einziger Deutscher.

Nach einem stattlichen Umbruch im Sommer 2023 samt neuem Trainer kann Flensburg also auf eine eingespielte Mannschaft zurückgreifen, in die der lange wegen einer Herzmuskelentzündung fehlende Rückraumspieler Kay Smits zurückkehrt. Die Abläufe sollten stimmiger ineinandergreifen, Coach Nicolej Krickau kennt die Bundesliga nun besser als vor einem Jahr – das sind die Argumente der Konkurrenz, Flensburg-Handewitt zum ersten Anwärter auf die Deutsche Meisterschaft zu stempeln.

Tatsächlich strahlt der Neun-Millionen-Euro-Kader eine individuelle Klasse aus, die zu höchsten Ambitionen verleitet: Benjamin Buric und Kevin Möller sind zwei starke Torhüter, Golla ist der aktuell beste deutsche Handballer und Spielmacher Jim Gottfridsson wurde schon mehrfach bei großen Turnieren als „wertvollster Spieler“ ausgezeichnet. Hinzu kommt Simon Pytlick, der seine Dänen in Paris gemeinsam mit dem Berliner Mathias Gidsel zur Goldmedaille trug – Pytlick ist erst 23 Jahre alt und dürfte mit seiner Wurfgewalt und Entschlossenheit zum Flensburger Schlüsselspieler reifen.

SG Flensburg-Handewitt mit gutem Umfeld

Diese Mannschaft bewegt sich außerdem in einem bewährten Umfeld, in dem sich aber zuletzt auch einiges verändert hat. Es gibt einen neuen Hauptsponsor, die Modernisierungen in der veralteten Campushalle haben endlich begonnen, die Führungscrew mit Sportchef Ljubomir Vranjes und Manager Holger Glandorf findet besser zueinander.

Es komplettiert den Umbruch, dass mit Assistenztrainer Marc Bult der letzte Verbleibende aus der sechs Jahre währenden Maik-Machulla-Ära mit zwei Meistertiteln in Folge gegangen ist. Machulla versucht sein Trainer-Glück nun in Dänemark beim Spitzenklub Aalborg HB. Und Bult ist neuer Cheftrainer beim Zweitligisten HSG Nordhorn-Lingen

Neuer Ko-Trainer der SG Flensburg-Handewitt ist Anders Eggert. Er war Publikumsliebling der 2010er-Jahre, ein frecher und immer gutgelaunter Typ, der von linksaußen nach Belieben traf. Er könnte der etwas stillen und ernsthaften Mannschaft mit seinem Schalk im Nacken gut tun. Andererseits gibt es auch skeptische Blicke auf die dänische Dominanz in der Mannschaft. Johannes Golla hatte sich einmal dahingehend geäußert.

Überzeugender Auftaktsieg gegen Erlangen

Beim 42:28 zum Auftaktsieg am Freitagabend gegen Erlangen zeigte die SG, was Trainer Krickau von ihr sehen möchte: mehr Tempo, mehr Gegenstöße, mehr sogenannte leichte Tore. Der schwache Kontrahent wurde mühelos überlaufen. Solche Spiele gab es in der Vorsaison auch, aber sie wechselten sich mit peinlichen Auswärtsauftritten ab. Deswegen fordert Trainer Krickau in dieser Saison mehr Stabilität von seinem auf allen Positionen doppelt stark besetztem Team.

Ein Vorteil im Meisterschaftsrennen könnte sein, dass die SG lediglich in der weniger stressigen European League antritt. Diese gewann Flensburg in der Saison 2023/24 gegen die Füchse Berlin – im Mai war die Erleichterung spürbar, denn zuvor hatte Krickaus Team die Titelchance im DHB-Pokal verstreichen lassen, als sie im Kölner Halbfinale der MT Melsungen unterlag. Für den ehrgeizigen Übungsleiter war der Coup in der European League sehr wichtig, auch wenn dieser Pokal verglichen mit der Champions League geringgeschätzt wird.

Tatsächlich strahlt der Neun-Millionen-Euro-Kader der SG Flensburg-Handewitt eine individuelle Klasse aus, die zu höchsten Ambitionen verleitet

Die SG Flensburg-Handewitt will wieder in die Champions League. 2014 gewann man mit dem Trainer Ljubomir Vranjes völlig überraschend gegen den THW Kiel – ein Meilenstein der Vereinsgeschichte. Nicht umsonst ist es Vranjes, der den wichtigsten Titel im Klubhandball immer wieder als Ziel der nächsten drei Jahre propagiert. Doch erst mal müsste die SG dorthin kommen und einen der ersten beiden Plätze belegen.

Dass es für sie ab der Saison 2025/26 dann ohne Spielmacher Jim Gottfridsson weitergehen wird, stellt einen erheblichen Einschnitt dar – seit 2013 trägt er das SG-Trikot. Im kommenden Sommer wechselt er nach Ungarn zum SC Szeged und macht den Platz frei für einen jüngeren Regisseur.

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