das portrait
: Nam Duy Nguyen hat Sachsens Linke per Direktmandat ins Parlament gerettet

Foto: Stella Weiß

Ein Newcomer in Leipzig: Der Linke Nam Duy Nguyen trat bei den Wahlen in Sachsen erstmals für ein Direktmandat in Leipzig-Zentrum an. Vor fünf Jahren hatte dort die Grüne Christin Melcher gewonnen. Sie kandidierte auch diesmal. Um gegen sie zu gewinnen, hängte Nguyen sich seit April mit hunderten Hel­fe­r:in­nen rein. „Wir haben an knapp 49.106 Haustüren geklingelt und mehr als 14.000 Gespräche geführt“, erzählt Nguyen der taz. Und dann gewann er am Sonntag mit einem überraschend deutlichen Vorsprung von rund 20 Prozent. Doch grenzenlose Partystimmung klingt ein bisschen anders. Am Montag schrieb er auf Social Media: „Die gestrigen Wahlergebnisse sind eine Katastrophe.“

Was er damit meint? Die Linke bekam bei diesen Wahlen sachsenweit nur 4,5 Prozent der Stimmen. Aber dadurch, dass Nguyen ein zweites Direktmandat für die Linke in Sachsen hinzugewonnen hat, bleibt die Partei im sächsischen Landtag und stellt weiterhin 6 Abgeordnete – dank der sogenannten Grundmandatsklausel. Die besagt: Gewinnt eine Partei mindestens 2 der 60 Direktmandate in Sachsen, bekommt sie ihrem Zweitstimmenergebnis entsprechend Sitze im Landtag. Im Leipziger Süden hat erwartungsgemäß Juliane Nagel zum dritten Mal das Direktmandat gewonnen. Und im Zentrum eben Nam Duy Nguyen.

Nguyens Vater kam als Vertragsarbeiter mit seiner Frau 1987 aus Vietnam in die DDR. Er arbeitete im Stahlwerk in Freital, mitten in Sachsen. Nach der Wende verlor er den Job, verkaufte stattdessen Obst und Gemüse in Dresden. Dort kam Nam Duy Nguyen 1996 zur Welt. Vor zehn Jahren zog er nach Leipzig, studierte Politik, engagierte sich gewerkschaftlich und wurde Mitglied im Vorstand des SDS, dem parteinahen Studierendenverband der Linken. Im Wahlkampf sagte er noch: „Menschen wie ich kandidieren in Sachsen nicht.“ Vor einem Jahr habe dann ein Freund ihn gefragt, ob er nicht für die Linke kandidieren wolle.

Im aufwendigen Haustürwahlkampf habe Nguyen dann gehört, was die Menschen bewege: Mieten senken, Löhne steigern, das Leben in Sachsen bezahlbar machen und den ÖPNV stärken. Das nahm er in sein Programm auf.

Im Wahlkampf warb Nam Duy Nguyen aber auch damit, dass er der erste nicht weiße Abgeordnete im sächsischen Landtag wäre. Ein Werbevideo auf Instagram zeigte, wie seine Wahl­kampf­hel­fe­r:in­nen auf der Straße Pas­san­t:in­nen Mikros unter die Nase hielten und sie fragten, wie man Nam Duy Nguyen ausspricht. Im Video machte es keiner richtig. „Aber das ist eigentlich scheißegal. Wichtig sind die Inhalte“, kommentiert Nguyen am Ende mit seiner ruhigen Stimme und leichtem Lächeln.

Zu seiner eigenen Kampagne kam hinzu, dass der Kampagnenverein Campact dazu aufrief, strategisch zu wählen und Nguyen die erste Stimme zu geben. Außerdem unterstütze Campcat ihn mit Geld. Nicht alle finden gut, dass Nguyen das annahm. Selbst Par­tei­kol­le­g:in­nen kritisieren die Unterstützung. Doch der verteidigte sich. Campact nehme keinen Einfluss auf seine Inhalte, sagte er.

Er sei glücklich, dass der Wahlkampf ihn und die Linke in den Landtag gebracht habe, sagt Nguyen der taz. „Unsere Kampagne hat Strahlkraft, weil sie einen Versuch gewagt hat, zu zeigen, wie sich die Linke verändern kann.“ Nun wolle er Druck auf die Landesregierung machen, wie sich das für die Opposition gehöre. Wichtiger sei aber noch, aus dem Parlament gesellschaftliche Auseinandersetzungen in Betrieben oder auf der Straße zu unterstützen. Auch seine Politik soll ein bisschen anders sein.

David Muschenich