der rote faden
: Ach, weeßte, ick lass loofen

Foto: Barbara Dietl

Durch die Woche mit Simone Schmollack

Wäre ich doch einfach in Frankreich geblieben. Auf irgendeinem dieser nonchalanten Campingplätze, in der Normandie, in der Bretagne, am Atlantik, im Val de Loire. Je m’en fous, Hauptsache la France. Das Zelt auf der Wiese, das Ratatouille auf dem Tisch, der Mann lässt den Crémant knallen. Von Französinnen und Franzosen lernen, heißt leben lernen. Wer sonst, wenn nicht sie verstehen was von bonheur und laissez faire. Da interessiert sie auch Null, ob die da in Paris das endlich mal mit der Regierungsbildung hinkriegen. Ach, Macron hat gerade Lucie Castets, die Kandidatin des linken Wahlbündnisses Nouveau Front populaire, als Ministerpräsidentin abblitzen lassen? Muss er wohl weitersuchen, seine Sache. C’est la vie!

Aber bekanntlich ist das Leben kein Ponyhof (außer auf einem französischen Campingplatz) und die taz nicht das Sozialamt (schade eigentlich). Also musste ich die Entschleunigungszone verlassen und nach Berlin zurückkehren, und mein bon sentiment war schon nach zwei Tagen perdu. Und das, obwohl Frankreich mich verfolgt: Anschlag in der Küstenstadt La Grande-Motte, Verhaftung des Telegram-Chefs Pawel Durow auf einem Flughafen bei Paris, die nächste olympische Glitzershow, die Paralympics.

Frankreich

Das französische Funkeln verblasst allerdings angesichts des deutschen Defätismus. Hier dreht sich alles um die Messerattacke in Solingen, um Asylrechtsverschärfungen, die zügiger beschlossen werden, als der Kanzler spricht, um Friedrich Merz. Und dann sind da noch all diese brillanten politischen Mantras: „Das gehen wir jetzt konsequent an.“ „Das muss aufgeklärt werden.“ „Das gehört auf den Prüfstand.“ Innenministerin Faeser sucht fieberhaft nach „rechtlich und praktisch tragfähigen Wegen“, Merz ruft mal rasch den „nationalen Notstand“ aus. Und wie geht nur die „Zeitenwende im Inneren“, die Nordrhein-Westfalens Integrationsministerin, die Grüne Josefine Paul, vollziehen will? Ich würde das sehr gern wissen, vielleicht kann ich damit ja auch in der Yoga-Gruppe angeben.

Solingen

Die trifft sich allerdings erst nächsten Mittwoch nach der Arbeit wieder. Bis dahin muss ich mich anders über Wasser halten: Also her mit dem Crémant.

Alkohol

Doch der wird mir nun auch noch vermiest. Jedenfalls kommt Burkhard Blienert, der Suchtbeauftragte der Bundesregierung, ausgerechnet jetzt, in besten Sommerzeiten mit Aperol Spritz, Rosé-Schorle und Pastis auf Eis, mit dem Knaller um die Ecke, dass jeder, wirklich jeder (sic!) Tropfen Alkohol dem Körper schadet. Wer bisher noch nicht wusste, dass zu viel davon einfach zu viel ist, dürfte spätestens jetzt alarmiert sein: Halte dich an Wasser und Tee und du wirst 100 Jahre alt. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Weil du vor Freudlosigkeit schon viel früher gestorben bist. Ich weiß, ich weiß, man kann auch ohne Alkohol lustig sein. Aber mit macht mehr Spaß. Und lassen Sie mich eines anmerken: Crevetten schmecken mit Crémant einfach noch besser – nicht nur auf einem französischen Zeltplatz.

Oasis

Man muss es mit dem Trinken ja nicht so übertreiben wie Noel und Liam Gallagher. Die beiden sind Oasis, eine Britpop-Band, die nach längerer Auszeit gerade Comeback und Tournee angekündigt haben. Man hatte ja gedacht, die sind weg auf immer und ewig. Wegen zu vieler – Achtung, keine Ironie – Alkoholexzesse. Noels Arzt hatte seinem Patienten vor Jahren eine Partyreduktion verordnet, auch Liams Körper machte nicht mehr das, was Liams Kopf wollte. Mittlerweile hat er eine neue Hüfte und trinkt grünen Tee.

Nun ja, selbst grüner Tee soll der Leber schaden. Aber soll Liam machen, er hat ja auch keine Koteletten mehr, Noel hat sie auch abrasiert. Ohne diese Dinger sind Oasis noch weniger hot, als sie es ohnehin nie waren. Ich halte mich sowieso eher an Oasis Cooler: Gin, Wermut, Soda, Zitronensaft, Eiswürfel. Oasis Cooler kann das bonheur und laissez faire nicht zurückbringen. Aber damit lässt es sich ein wenig leichter sagen: Ach weeßte, ick lass loofen.

Nächste Woche: Lukas Wallraff