Neues Album von Australier Dirty Three: Unterschätzt nie die Langsamen

Das Postrockinstrumentaltrio Dirty Three aus Sydney variiert mit dem Album „Love Changes Everything“ das Thema Liebe in bestechender Formstrenge.

vlnr: Mick Turner, Jim White und Warren Ellis sind Dirty Three Foto: Daniel Boud

Zwischen düsterem Auftakt und hymnischem Ausklang entwickelt sich das neue Album des australischen Trios Dirty Three. Die zu weiten Teilen instrumentale Musik der dreckigen drei wird gerne mit dem Etikett Postrock versehen, wobei Dirty-Three-Mastermind, der Violinist und Pianist Warren Ellis, nichts dagegen hat, wenn man einfach Rock dazu sagt.

In den gedimmten Hall, mit dem „Love Changes Everything“ anhebt, knarzt sich alsbald Stromgitarrist Mick Turner. Kurzer, wuchtiger Einwurf von Drummer Jim White auf den tiefen Toms, ein Geigenpanorama, die Schlagzeugpausen werden weniger, White wechselt auf die Blechtrommel, und das Ganze nimmt Fahrt auf.

Unvermittelt beginnt Stück Nummer zwei, ein abrupter Wechsel in gemessene Gefilde: Piano, geloopte Violine, Jim Whites Schlagzeug umspielt, anstatt zu treiben.

Süffige Klanglandschaften

„Love Changes Everything“, ein Trip in sechs durchnummerierten Etappen, weist viele Charakteristika des Dirty-Three-Sounds auf. Die drei australischen Künstler haben einen ausgeprägten Sinn für süffige Klanglandschaften.

Dirty Three: „Love Changes Everything“ (Bella Union/Rough Trade/PIAS)

Jim White: „All Hits: Memories“ (Drag City/Rough Trade/Indigo)

Mick Turner reüssiert nicht von ungefähr auch als Maler und hat erneut das Cover des neuen Albums illustriert. Dirty Three haben Mut zur Überlänge, fünf Minuten sollen es schon, zehn Minuten dürfen es gerne pro Stück sein, und sie lassen sich dann in ihrem Sound von der Improvisationsfreude etwa vom Geist des US-Modern-Jazz-Labels Impulse! inspirieren.

Folkethos kommt hinzu: Jim White ist auch als Drummer für Cat Power zu hören und betreibt ein Duo mit dem Laoutospieler Giorgis Xylouris. Die Zusammenarbeit begann mit einem Auftritt des Griechen auf der EP „Sharks“, für die Dirty Three auch einen Song ihres Landsmanns Kim Salmon, bekannt von Bluespunkbands wie The Scientists, Beasts of Bourbon und The Surrealists, interpretieren. Das Dirty-Three-Tempo ist zumeist getragen, wobei es Ausbrüche nicht scheut; so, wie in Warren Ellis’ Arbeiten mit einem anderen großen Australier, Nick Cave.

Rauschhaft und geräuschvoll

1994, in dem Jahr, als Ellis das erste Mal bei Nick Cave and the Bad Seeds in Erscheinung tritt, wir auch das Albumdebüt der Dirty Three „Sad & Dangerous“ veröffentlicht, schon damals eröffnet von einer epischen Komposition Kim Salmons. Eine Zeit lang spielen Dirty Three deutlich rausch- und geräuschhaft, bis sie 1998 auf „Ocean Songs“ zu einem ruhigen Spiel finden, produziert interessanterweise von dem US-Noisespezialisten Steve Albini.

Auf zwei der maritimen Elegien gastiert der mit Bands wie Gastr del Sol hervorgetretene David Grubbs am Harmonium und am Piano.Wahrscheinlich sind es diese Verbindung und die zeitliche Nähe, die Dirty Three den Genreeintrag Postrock verschaffen. Seinen gefundenen Instrumentalstil baut das Trio auf mehreren Alben aus. 2001 dann eine Überraschung: Dirty Three und die Slowcoregruppe Low veröffentlichen ein gemeinsames Minialbum.

2005 folgt „­Cinder“ mit größtenteils kurzen Vignetten, aus denen „The Zither Player“ des serbisch-ungarischen Komponisten Lajkó Félix und die Gesangscameos von Cat Power und Sängerin Sally Timms von den britischen Folkpunks The Mekons herausstechen. Das wieder in­stru­men­tale Album „Towards the Low Sun“ gerät zu einem super­interessanten Steinbruch. 2012 erschienen, bleibt es für lange Zeit das letzte Werk der Dirty Three.

Ein reichliches Jahrzehnt später zeigt sich das Können von ­Ellis, Turner und White auf „Love Changes Everything“ gebündelt und verfeinert. Da ist immer noch Jim Whites fast schon ­somnambul anmutendes Schlagzeugspiel, doch gesellen sich zu seinen gedehnten Snare­wirbeln Ausflüge auf Hi-Hat und Becken. Wie das Trio, zuerst Turner, dann Ellis und schließlich White, im vierten Teil von „Love Changes ­Everything“ einen Klangraum weit aufmacht und dann im fünften nervös verdichten, ist eine schiere Freude.

Von allen drei Dirty-Three-Musikern liegen übrigens auch Soloalben vor, von Jim White seit dem Frühjahr das Debütalbum „All Hits: Memories“. Auch hier gilt: Wer die Langsamen und die Verschrobenen unterschätzt, hat sich mächtig verhoben.

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