Paralympische Spiele: Mit Gefühl und Gehör

Para-Boccia und Goalball sind ausschließlich paralympische Sportarten, die viel Können abverlangen. Sie sind auf bestimmte Sportler zugeschnitten.

Thailänder Akkadej Choochuenklin berührt den Ball dort, wo ihn sein Assistent hingelegt hat Foto: IMAGO/Xinhua

Boccia mit Hilfe einer Rampe? Fußball und Handball kombiniert mit einem klingelnden Ball? Bei den Paralympischen Spielen gibt es neben klassischen Sportarten – wie Sitzvolleyball, Rollstuhlrugby oder Para-Leichtathletik – die ihren Counterpart bei den Olympischen Spielen haben, auch ausschließlich paralympische Sportarten. Das sind Para-Boccia und Goalball – zwei Sportarten, die auf bestimmte Sportler zugeschnitten sind und die es so nur bei den Paralympics gibt.

Boccia ist eine italienische Abwandlung des Boules und seit 1984 paralympische Disziplin. Im wesentlichen unterscheiden sich beide Sportarten darin, dass Boccia im Gegensatz zu Boule ein klar abgestecktes Feld hat und in diesem Fall mit größeren und leichteren Lederbällen, an Stelle von Metallbällen gespielt wird.

Die paralympische Version des Boccia ist etwas strenger als die klassische Variante. Sie wird von Menschen mit motorischer Beeinträchtigung gespielt, die alle im Rollstuhl sitzen. Das Ziel ist, mit den Bällen des eigenen Teams näher am Zielball zu sein, als das gegnerische Team. Gespielt wird einzeln, zu zweit oder in Dreierteams, die unabhängig des Geschlechts eingeteilt sind.

Unterteilung nach Beeinträchtigung

Besonders bei den paralympischen Spielen – und auch beim Para-Boccia – ist, dass nicht nur die unterschiedlichen Sportarten für unterschiedliche Beeinträchtigungen konzipiert sind, sondern auch, dass innerhalb der Sportarten Unterteilungen nach körperlichen und geistigen Voraussetzungen vorgenommen werden. Somit wird für faire Wettkampfbedingungen gesorgt.

Beim Para-Boccia sind das vier Gruppen, die je nach Beeinträchtigung unter anderem entscheiden, ob die Spieler Hilfe erhalten dürfen, oder nicht. In zwei der Gruppen legt ein Assistent beispielsweise den Lederball auf eine Rampe, wovon der Ball hinunter in das 12,5 mal 6 Meter große Spielfeld rollt – den entscheidenden Kontakt gibt der Athlet.

Bei vom Hals abwärts gelähmten Sportlern wird dieser Kontakt mit einem am Kopf befestigten Stab gegeben. Der Assistent, der den Ball platziert, darf weder das Spielfeld betrachten, noch mit dem Athleten kommunizieren, sondern nur die Anweisungen befolgen, die ihm gegeben werden. Ein einziger Wurf kann das komplette Spiel verändern, alle gegnerischen Bälle zur Seite schieben und für den Sieg sorgen.

Südkoreanerin Heejin Kim wirft blind auf das von drei Torhüterinnen bewachte Tor der Französinnen Foto: IMAGO/aflosport

Blindes Ballspielen

Die stillen Assistenten der Boccia-Spieler ähneln den Zuschauern beim Goalball. Sie dürfen während des Spiels ebenfalls keinen Ton von sich geben. Besonders wichtig sind bei diesem Sport die Ohren. Der Ball ist mit Klingeln ausgestattet und kann auch ausschließlich über diese verortet werden.

Goalball wird bei den Paralympics von Menschen mit Sehbehinderung gespielt – lichtundurchlässige Brillen und Pflaster auf den Augen sorgen dafür, dass kein Spieler auf dem Feld etwas sehen kann. Somit haben sehbeeinträchtigte und blinde Spieler gleiche Voraussetzungen.

Zwei Dreierteams spielen auf ein flaches und 9 Meter breites Tor gegeneinander. Sie werfen von unten abwechselnd mit bis zu 80 km/h den 1,25 kg schweren, medizinballähnlichen Ball auf das gegnerische Tor.

Dabei gibt es in einem Spiel bis zu 100 Angriffe. Das sieht in etwa so aus wie ein abwechselndes Elfmeterwerfen auf flache Tore mit drei Torhütern. Um einen Treffer zu verhindern, legt sich das verteidigende Team nebeneinander quer vor das neun Meter breite Tor und deckt somit einen Großteil der Trefferzone ab.

Fokus auf Fähigkeiten

Die Schwierigkeit liegt in der Defensive bei der richtigen Positionierung und der Abwehrreaktion auf einen unsichtbaren Ball. Auf der anderen Seite muss der Angriff die Lücken im Tor finden und genügend Druck hinter den Ball bekommen. Dafür wird ein kleiner Anlauf genommen und eine 360-Grad-Drehung in den Wurf eingebaut, um genügend Schwung zu sammeln.

Goalball ist seit 1976 bei den Paralympischen Spielen dabei. Der letzte Erfolg der deutschen Goalball-Männer war der EM Titel 2019. Sowohl die Frauen als auch die Männer Deutschlands konnten in der Vergangenheit eine Goldmedaille bei den Paralympics im Goalball gewinnen.

Para-Boccia und Goalball sind somit zwei Paralympics-Originale und besonders auf die Athleten zugeschnittene Sportarten. Die Schwerpunkte liegen dabei aber nicht nur auf den Beeinträchtigungen der Sportler, sondern vor allem auf ihren besonderen Fähigkeiten: Geduld und Präzision beim Boccia und außergewöhnlich gutes Gehör sowie räumliches Denken beim Goalball.

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