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berliner szenenBier bei Vollmond am Kanal

Beim Sonnenuntergang sitzen wir an der Hobrechtbrücke mit einem Bier und fragen uns, ob wir vielleicht zu viel trinken. Bald sind die Flaschen leer und ich gehe zum Späti in der Friedelstraße, um uns eine neue Runde zu holen: Unser Wiedertreffen ist Grund genug, um kein schlechtes Gewissen zu haben. Als ich zurückkomme, sammeln sich Menschen auf der anderen Straßenseite und fotografieren den Himmel. „Geh mal gucken“, sagt E. Ein großer roter Vollmond versteckt sich hinter den Bäumen. Ich schieße auch ein Bild davon, bin aber mit der jungen Frau neben mir einverstanden, die zu ihren Freundinnen meint, der Mond sehe auf dem Display eher wie eine Laterne aus, unspektakulär.

Als ich wieder bei E. bin, reden wir nicht weiter über Alkoholkonsum, sondern erinnern uns an unsere erste Begegnung, die genau auf dieser Brücke während des ersten Lockdowns stattfand. Wir kannten uns aus den Tanzstunden und hatten uns damals am Ende eines Onlinekurses in den kleinen Zoom-Fenstern zugewunken. Aber erst, als wir uns noch einmal am Tempelhofer Feld zufällig über den Weg gelaufen sind, haben wir entdeckt, dass wir auch Nachbarinnen waren. Außerdem überzeugte sie mich, mich für den Halbmarathon mit ihr anzumelden – was ich auch machte.

Wir sind in diese Mémoires vertieft, als das Bier wieder alle ist. Auf dem Weg zum Einkaufen lese ich eine Nachricht von einer anderen Freundin. Sie schickt mir ein Zitat von Charles Bukowski und entschuldigt sich dafür: „Ich weiß, dass der Alte nicht in Ordnung war.“

Ich lese E. vor, worum es geht: „Ich habe das Gefühl, dass mir etwas fehlt, ich weiß nicht genau, ob es du bist oder mehr Alkohol, also, falls du nicht zurückkommst, werde ich Bier holen, und wenn du kommst, bring bitte Bier mit.“

Luciana Ferrando

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