das wird
: „Menschliche Überreste sind ein heikles Thema“

In Braunschweig wirft ein Dokumentarfilm einen Blick ins leere Grab von Maji-Maji-Kämpfern: Deren Gebeine haben deutsche Kolonialtruppen verschleppt

Interview Wilfried Hippen

taz: Frau Bartholomaeus, worum geht es in dem Dokumentarfilm „Das leere Grab“, den Ihr Verein heute im Universum-Kino Braunschweig zeigt?

Céline Bartholomaeus: Die Fil­me­ma­che­r*in­nen Agnes Lisa Wegner und Cece Mlay sind hier auf den Spuren ihrer eigenen Familien. Sie suchen die „human remains“ ihrer Vorfahren, also menschliche Überreste kolonialisierter, versklavter und ermordeter Menschen aus den ehemalige Kolonien in Afrika. Es geht darum, unter welchen Umständen diese nach Europa gelangten und jetzt hier zu Zehntausenden in Depots und Archiven von Universitäten und Museen gelagert werden.

taz: Wie kamen die human remains ihrer Vorfahren hierher?

Bartholomaeus: Sie wurden in der Kolonialzeit für rassistische Forschungen nach Deutschland gebracht. Dort wurden zum Beispiel Schädel vermessen, um die rassistische Ideologie mit einer vermeintlich wissenschaftlichen biologistischen Erklärung zu unterstützen.

taz: Warum ist Ihrem Kollektiv so wichtig, diesen Film zu zeigen?

Foto: privat

Céline Bartholomaeus

Jahrgang 1988, Theatermacherin, hat 2020 den Verein Amo-Braunschweig Postkolonial als rassismuskritische Bildungsinitiative mitgegründet und ist seither dessen Vorsitzende.

Bartholomaeus: Er passt thematisch gut zu unseren Inhalten als Verein, der sich mit dem deutschen Kolonialismus auseinandersetzt. Es gibt bisher noch nicht viele Filme zu diesem Thema. Als postkoloniales Kollektiv verfolgen wir die Restitutionsdebatten mit großem Interesse. Meistens geht es dabei darum, dass Kunst- und Kulturexponate zurückgegeben werden sollen. Aber selten wird über die „human remains“ gesprochen, weil das ein sehr heikles Thema ist. Außerdem ist es für uns ein Anliegen, aktivistische Fil­me­ma­che­r*in­nen zu unterstützen, denn die sind darauf angewiesen, dass ihre Filme nachgefragt und gezeigt werden. Diese Form von Dokumentarfilmen wird nicht in den kapitalistischen Unterhaltungskinos platziert.

taz: Führen die Spuren des Films auch nach Braunschweig?

Bartholomaeus: Es gibt tatsächlich einen Bezug, weil wir erst vor Kurzem eine Stellungnahme zu einem Fall veröffentlicht haben, bei dem es darum geht, dass der Patronengurt eines Widerstandskämpfers der Ovambanderu im Städtischen Museum von Braunschweig lagert. Kahimemua Nguvauva wurde von deutschen Kolonialherren 1896 hingerichtet. Im heutigen Namibia ist er heute noch eine ikonische Figur und es gibt Bestrebungen seiner Nachfahren um Restitution.

taz: Warum haben Sie Ihren Verein „Amo“ genannt?

Kinoabend mit Nachgespräch „Das leere Grab“ von Agnes Lisa Wegner und Cece Milay, Braunschweig, Universum Filmtheater in Kooperation mit Amo-Braunschweig Postkolonial, 26. 8., 19 Uhr

Bartholomaeus: Wir orientieren uns an der Geschichte von Anton Wilhelm Amo, der ein wichtiger afrikanischer Philosoph im Europa des 18. Jahrhunderts war. Als Kind wurde er an den Hof des Herzogs von Wolfenbüttel verschleppt, also hier in unmittelbarer Nähe zu uns. Mit unserem Namen erinnern wir an ihn. Es gibt hier keinerlei angemessene Würdigung von ihm, während in Städten wie Stuttgart, in denen er an den Universitäten gelehrt hat, immer mehr Straßen nach ihm umbenannt werden.

taz: Organisiert Ihr Kollektiv noch andere öffentliche Veranstaltungen?

Bartholomaeus: Wir bieten zum Beispiel postkoloniale Stadtrundgänge an. Da besuchen wir das Kolonialdenkmal, das noch 1927 erbaut wurde. Wir gehen zu Edeka und erinnern daran, dass der Firmenname eine Abkürzung für „Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler“ ist. Und wir gehen zu einem Platz vor der technischen Universität, auf dem es eine Völkerschau gab. Dort wurden Menschen aus den Kolonien zur Belustigung der europäischen Bevölkerung wie im Zoo ausgestellt.