die kinderfrage
: Muss man später arbeiten?

Wir wollen von Kindern wissen, welche Fragen sie beschäftigen. Jede Woche beantworten wir eine. Diese Frage kommt von Ella, 7 Jahre alt.

Liebe Ella, bestimmt hörst du Erwachsene ständig sagen: Ich muss jetzt zur Arbeit. „Müssen“ ist ein Wort, das dir sicherlich schon oft begegnet ist, vielleicht beim Basteln: Schau mal, Ella, du musst die Schere so und so halten. Oder als Bedingung, um etwas machen zu dürfen: Wenn du rauswillst, musst du dich erst mit Sonnencreme ein­cremen. Oder Gummistiefel anziehen.

Mit dem Arbeiten-Müssen ist das so eine Sache. Es lebte einmal ein Mann mit Rauschebart. Er hieß Karl Marx und hat dicke Bücher über die Lohnarbeit geschrieben. Das ist Arbeit, die Erwachsene machen und dafür einen Lohn bekommen, meistens Geld. Das kriegen sie von ihrem Arbeit- oder Auftraggeber, oft sind das Firmen. Die stellen ihren Ar­bei­te­r:in­nen alles zum Arbeiten zur Verfügung – Stifte, Papier, Computer, Werkzeuge. Damit stellen die Ar­bei­te­r:in­nen etwas her, das ihre Arbeitgeber verkaufen können. All das Werkzeug oder auch die Werkstatt oder das Büro, in dem die Ar­bei­te­r:in­nen produzieren, gehört den Firmen. Man nennt es auch Kapital. Daher kommt auch der Name des Systems, in dem wir leben – Kapitalismus.

Nun gibt es einen Trick, mit dem die Unternehmen ihr Kapital – also alles, was ihnen gehört – vermehren. Sie bezahlen ihren Ar­bei­te­r:in­nen nicht mehr Lohn als unbedingt nötig. Dann verkaufen sie das, was die Ar­bei­te­r:in­nen hergestellt haben, zu einem höheren Preis und behalten das Geld, das übrig bleibt. So gibt es leider einige wenige Menschen, Eigentümer von Unternehmen etwa, die sehr viel Geld haben, und auf der anderen Seite sehr viele Menschen, die zwar viel arbeiten müssen, aber oft nur sehr wenig haben.

Ob man bei so einem unfairen Spiel mitmachen muss? Ich fürchte, ein bisschen schon. Denn wenn man nicht arbeitet, bekommt man kein Geld, und ohne Geld kann man keine Wohnung mieten und kein Essen oder Spielzeug kaufen. Man steht dann ziemlich nackig da, muss andere Leute um etwas zu essen oder einen Schlafplatz bitten, und das ist sehr anstrengend.

Hast du auch eine Frage? Dann schreib sie uns an kinderfragen@taz.de

Natürlich könnte man im Garten selbst Gemüse anbauen. Das kostet weniger, als es im Supermarkt einzukaufen. Oder man flickt ­Klamotten, wenn sie Löcher haben, anstatt neue zu kaufen. So braucht man weniger Geld zum Leben und müsste vielleicht auch ­weniger ­arbeiten. Oder man sucht sich eine Arbeit­, die man mag. Dann geht man wenigstens gern hin. Nora Belghaus