doppelblind
: Warum das Pferd manchmal schlauer ist als der Mensch

Worum geht’s?

Dafür, dass Menschen ziemlich oft blöde Dinge tun, sind wir sehr überzeugt von unserem Status als intelligenteste aller Spezies. Dass Ziegen abstrakte Symbole verstehen, Delfine sich mit Namen ansprechen oder Schimpansen sich Zahlenreihen schneller merken als Stu­den­t*in­nen – bevor wir es wussten, hielten wir es für unmöglich. Dieses Mal betrifft es Pferde. Eine Spezies, von der sich selbst die Wissenschaft lange sicher war, dass ihr beim Im-Kreis-Traben nicht viel mehr durch den Kopf geht als Karotten.

Die Studie

Die britische Studie stellte 20 Pferde vor die Herausforderung, die Regeln eines Futterautomaten zu verstehen. Diese lautet: Leuchtet neben dem Automaten ein Licht auf, kommt kein Futter raus. Erst wenn das Licht erlischt, rieseln die Leckerlis auf Knopfdruck. Die Pferde schienen für diesen Mechanismus nicht sehr empfänglich zu sein. Völlig unbeeindruckt von dem Licht drückten sie weiter auf den Futterknopf. Ha! Könnte man jetzt sagen. Pferde sind offenbar zu doof für Ampeln.

Das wäre allerdings voreilig. Die Forschenden führten noch eine Bedingung ein: negative Konsequenzen. Wenn die Pferde auf den Futterknopf drückten, während das Licht leuchtete, verloren sie über einen kurzen Zeitraum jede Chance, mit dem Futterspender zu spielen. Sofort hörten die Vierbeiner mit dem unnützen Drücken auf. Offenbar sind Pferde durchaus in der Lage, komplexe Zusammenhänge zwischen ihrem eigenen Verhalten, Ampelschaltungen und einer Futterklappe zu verstehen. Nur: Solange ihnen daraus kein Nachteil entsteht, lassen sie es gerne darauf ankommen.

Was bringt’s?

Erst mal einen Sieg für die Pferde: Sie verstehen menschliche Vorgaben, sie ignorieren sie nur, wenn sie vernachlässigbar sind. Was vielleicht eine ganz eigene Form von Intelligenz ist. Denn im Gegensatz zu Pferden befolgen Menschen Regeln, auch wenn sie nicht zielführend sind. Das zeigt sich schon bei Kleinkindern, wenn sie neue Spielgeräte ausprobieren – und dabei jeden Vorführschritt der Erwachsenen genau nachmachen: einschließlich des Händeklatschens, das es zum Funktionieren des Murmelautomaten streng genommen gar nicht braucht. Pferden würde so etwas wohl nicht einfallen. Die Ergebnisse sind also auch eine gute Mahnung, menschliches Verhalten nicht zum Maßstab aller Beobachtung zu machen.

Neue wissenschaftliche Studien stellen wir jede Woche an dieser Stelle vor – und erklären, welchen Fortschritt sie bringen. Sie wollen die Studie finden? Jede hat einen Code, hier lautet er: 10.1016/j.applanim.

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Dabei treffen Menschen, wie Pferde, natürlich auch Kosten-Abwägungen. Manchmal gehen sie mit sozialen Abwägungen Hand in Hand. Das zeigt sich schon daran, dass auch wir uns eher an rote Ampeln halten, wenn uns mit dem Auto ein höheres Bußgeld und ein Punkt in Flensburg drohen. Oder aber, wenn zwei Omas auf der anderen Straßenseite zuschauen. Das Parken auf dem Gehweg ist dagegen oft sozial akzeptiert und so selten mit Bußgeld belegt, dass sich keine Verhaltensänderung einstellt. Franca Parianen