Infektionsgefahr im Unterholz

Zecken selbst sind nicht gefährlich. Doch bei Befall droht Infektionsgefahr, denn die Spinnentiere sind Überträger zahlreicher Krankheitskeime. Vor allem die Frühsommer-Meningo-Enzephalitis und die Lyme-Borreliose sind bei uns weit verbreitet

VON GISELA SONNENBURG

Manche Exemplare sind so winzig, dass sie mit bloßem Auge kaum zu sehen sind. Andere, ältere derselben Art sind zentimetergroß: Zecken sind keine Kuschel-, sondern Spinnentiere. Am häufigsten in unseren Breitengraden: der Gemeine Holzbock, Ixodes ricinus, eine Schildzecke, deren linsenförmiger Leib beim Männchen ganz, beim Weibchen teilweise mit einem panzerartigen Schild bedeckt ist.

Ab 10 Grad Celsius ist der Schildzeck aktiv – die weiblichen Tiere warten von Frühling bis Herbst in Bodennähe auf warmblütige Wirtstiere. Sie krabbeln langsam am Körper entlang, bis sie eine gut durchblutete, gern auch schweißfeuchte Stelle finden, um sich mit ihren Mundwerkzeugen einzubohren. Vor allem unter den Achseln und in der Scham sollte man deshalb nach einem Aufenthalt in der Natur nach Zecken suchen. Je früher man sie mit einer Pinzette oder Zeckenzange entfernt, desto geringer ist die Infektionsgefahr.

Denn Zecken übertragen, und zwar ohne selbst zu erkranken, beim tagelangen Blutsaugen verschiedene Erreger. Am häufigsten geht mit gemeldeten 2.000, aber geschätzten 4.000 bis 4.500 Infektionen pro Jahr die Lyme-Borreliose (Lyme-Krankheit, Borreliose) auf Menschen über – bundesweit. Nur in manchen Regionen sind auch Erreger der Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) virulent. Das Robert-Koch-Institut hat unter www.rki.de Karten parat: Sie verzeichnen die aktuellen FSME-Risiko-Gebiete.

Wer in ihnen lebt oder sie besucht, sollte von der FSME-Schutzimpfung Gebrauch machen. Denn gegen die Viren gibt es keine Arznei. Und oft wird die FSME erst spät erkannt: „Die ersten Erscheinungen sind grippeähnlich und es kommt zur vermeintlichen Ausheilung. Aber zehn Tage später zeigt sich die Manifestation am Nervensystem“, weiß Thomas Talaska vom „Institut für durch Zecken übertragbare Krankheiten“.

274-mal wurde die FSME letztes Jahr in Deutschland den Behörden gemeldet. Sie kann, weil sie eine Hirnhautentzündung ist, tödlich enden oder schwere Behinderungen auslösen: Lähmungen, Krämpfe, neurologische Ausfälle.

Ähnliche Spätfolgen hat auch die Neuroborreliose: Hier greifen die von Zecken übertragenen Borrelien, Bakterien der Spirochäten-Gruppe, die Nerven an. Mitunter beginnt auch die Borreliose mit grippeähnlichen Symptomen. Dann aber bestimmen die verschiedenen bakteriellen Stämme den Verlauf der Krankheit. So ist Borrelia burgdorferi laut Talaska für entzündliche Ergüsse im Knie verantwortlich, Borrelia garanii hingegen gilt als Ursache für Schäden im Nervensystem.

Therapiert wird Borreliose mit Antibiotika: Sie kann vollständig kuriert werden, wenn sie frühzeitig erkannt und behandelt wird. Auf die ersten, noch harmlosen Symptome ist daher aufmerksam zu achten. So kann sich kurz nach einer Borrelien-Infektion um die Einstichstelle ein roter Ring bilden. Er sieht aus wie aufgemalt und ist typisch für Borreliose. Ebenso typisch: Die sich fünf bis 30 Tage später entwickelnde so genannte Wanderröte. Die rötlichen Flecken, im Ärztelatein Erythema migrans genannt, verlagern sich am Körper – ein sicheres frühes Lyme-Syndrom.

Am besten jetzt beginnt bereits die Therapie, und zwar stationär: Die etwaigen Nebenwirkungen von hoch dosierten Infusionen mit Penicillin, Doxycyclin oder Makroliden bedürfen der ärztlichen Überwachung. Nach drei Wochen kann man dann von einer Heilung ausgehen. Leider bemerkt nur ein Teil der Patienten den Ring oder das Erythema.

Etwas häufiger werden, ob mit oder ohne Biss, Zecken gesichtet – und wer wissen will, ob in „seinem“ Erholungsgebiet gerade Borrelien grassieren, kann einen Parasiten beim Borrelienlabor des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg eine Untersuchung in Auftrag geben. Weil das Lyme-Vollbild erst Monate bis Jahre nach der Infektion auftritt, sollte ein Zeckenbefall auch bei Kindern notiert und mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Denn die späteren Borreliose-Symptome verführen zu Falschdiagnosen. Am beliebtesten: Rheuma. Manche Patienten fühlen sich zudem, weil Borreliose auch zu Müdigkeit und Missempfindungen führt, als Simulanten verdächtigt.

Ein Lyme-Impfstoff wurde kurz vor der letzten Jahrhundertwende in den USA verkauft. Doch die Nebenwirkungen kamen der Borreliose gleich, der Hersteller zog das Präparat zurück. „Borrelien sind Schraubenbakterien, die rasch ihre Oberfläche verändern“, erklärt Talaska. Deshalb ist ein Impfstoff schwierig zu entwickeln.

Zurzeit wird erforscht, wieso es auch Borreliose-Infektionen ganz ohne Symptome gibt – vielleicht ergibt sich aus solchen Erkenntnissen eine Möglichkeit zur Immunisierung. Bis dahin gilt: nach Sonnenbädern und Spaziergängen ist gründlich nach Zecken zu fahnden. Oft handelt man sie sich übrigens auf vertrautem Terrain ein: im eigenen Garten.