Kleine Kulturlandschaft

PRÄSTABILIERTE HARMONIE Rudolf Thome pflegt mit seinem neuen Film „Pink“, der von den Umwegen einer jungen Dichterin zu ihrem Herzensmann erzählt, weiter seine Nische

Thome begnügt sich mit einfachen Figuren, die aus wenigen Eigenschaften zusammengesetzt erscheinen

VON BERT REBHANDL

Rosen, Chrysanthemen, Orchideen – welche Blumen werden der Dichterin wohl am meisten zusagen? Drei Männer mit drei Sträußen stehen in Leipzig freundschaftlich nebeneinander. Sie warten alle drei auf dieselbe Frau: Susi Bauer, Künstlername Pink, höchst erfolgreiche Dichterin und angebetetes Wesen. In einem Lokal namens Heaven’s Gate wird der Abend gefeiert, doch dann gibt es eine Enttäuschung. Keiner von den dreien wird an diesem Abend der Glückliche sein, sie müssen alle allein schlafen, denn Pink hat in einer Kirche einen Auftrag von Gott bekommen. Sie kann nicht länger in der glücklich Eintracht einer dreifach offenen Beziehung leben, sie muss sich entscheiden und ihrer Entscheidung auch noch eine sakramentale Form geben. Pink will heiraten, weil sie von ihrem Vater aber gelernt hat, dass Liebe „planmäßiges Vorgehen und eiserner Verstand“ ist, entscheidet sie mit der Rechenmaschine. Aussehen, Körperkraft und was der Eigenschaften mehr sind rechnet sie von jedem ihrer drei Männer genau nach Punkten aus, den Zuschlag, das Ja vor dem Altar, bekommt der mit den meisten Punkten: Carlo, der kompromisslose Geschäftsmann. Georg und Balthazar gehen leer aus, sie fügen sich in ihr Geschick, ganz so, als wüssten sie, dass dieses eine „Ja“ von Pink noch nicht das letzte Wort ist.

Für Menschen, für die „Pink“ nicht der erste Film von Rudolf Thome ist, muss die Entscheidung für Carlo ohnehin dubios erscheinen. Das mondäne, aber auch ein wenig arg funktionalistische Dachgeschossbüro, von dem aus er seine Geschäft macht, deutet schon zu Beginn darauf hin, dass das nicht die Welt ist, in der Susi Bauer ihr Glück finden wird. Um nichts Geringeres als das Glück geht es aber in „Pink“. Nicht um ein Happyend, nicht um den richtigen Partner, sondern um das große Ganze – Einheit, Natur, Sonne, Seligkeit. Die Objektwahl bildet dabei nur einen Teil, aber eben den entscheidenden, denn der Mann erschließt der Frau in „Pink“ ganz traditionell eine Welt. Ihre eigene Welt, die der Lesungen, der Signierstunden, der Fernsehinterviews, ist der filmischen Erzählung nicht weiter wert, sie wird mit ein paar halb bissigen Szenen abgetan. Hannah Herzsprung spielt Pink, diesen Star eines Literaturbetriebs, den es so unbedarft, wie Thome ihn erscheinen lässt, in Deutschland wohl doch nicht gibt. Ein Buchtitel wie „Kopfsprung ins Leben“ verweist auf das sprachliche Niveau, das die Gedichte von Pink haben.

Es zeugt von dem ganz besonderen Status, den Rudolf Thome sich im Lauf vieler Jahre und zahlreicher schöner Film erarbeitet hat, dass er eine Rolle wie die der Pink mit einer Schauspielerin wie Hannah Herzsprung besetzen kann, und dass diese sich mit der allergrößten Selbstverständlichkeit auf eine Rolle einlässt, die hart am Rande der Karikatur entlangschrammt. Das mag zum Teil den Produktionsumständen geschuldet sein. Denn Rudolf Thomes Filme sind zuletzt immer mehr zu skizzenhaften Variationen eines großen Themas geworden, die Figuren (vor allem die Männer) gehen ineinander über, und so ist auch „Pink“ eigentlich eher so etwas wie ein weiterer Auftrag auf ein großes Gemälde als ein vollständig ausgearbeiteter Film. Das große Thema ist das des erfüllten Lebens, vor allem das der Frauen und in Beziehung dazu das der Männer. Thome begnügt sich dabei mit einfachen Figuren, die nur aus wenigen Eigenschaften zusammengesetzt zu sein scheinen, ganz so, als wäre es gar nicht so wichtig, dass sie zu voller Subjektivität heranwachsen, solange sie nur ihren Ort in dem idealistischen Weltentwurf finden, den Thome ihnen zuweist.

In „Pink“ geht er noch einmal einige Riesenschritte weiter in Richtung einer prästabilierten Harmonie, denn die Umwege der jungen Dichterin zu ihrem Herzensmann sind recht schnell als solche durchschaubar, und der Richtige muss nur geduldig im Ohrensessel sitzen bleiben, bis seine Zeit gekommen ist. Der relevante Moment von „Pink“ ist dann der, in dem Thome sich selbst – als Regisseur und Autor – vor die einzige dramatische Entscheidung des Films stellt. Er lässt sie mit Bedacht verstreichen, und wählt das Glück im Winkel, in den die Ostdeutsche Eisenbahn GmbH fährt. Auch hier wird, wie schon in „Rauchzeichen“ (2005), ein Teich angelegt – das unabgründige Gewässer wird allmählich auch zu einer Metapher für das Werk von Rudolf Thome, das sich aus dem offenen Meer des Lebens immer mehr auf die kleine Kulturlandschaft zurückzieht, die er mit einem Film wie „Pink“ daraus abgrenzt.

■ „Pink“. Buch/Regie: Rudolf Thome. Mit Hannah Herzsprung, Guntram Brattia, Florian Panzer u. a., D 2009, 82 Min.