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Das verflixte Fliegen

Am 14. 9. stimmen die taz-Ge­nos­s*in­nen darüber ab, ob ihre Zeitung manche Fernreisen künftig nicht mehr anbieten soll. Es bleibt eine Grundsatzfrage zwischen Klima, Klasse und Eigenverantwortung

Längst ist die Zeit des unbeschwerten Herumjettens vorbei, viele Reisende klagen über Flugscham – so geht es auch uns in der taz-Redaktion. Klar, das Fliegen ist die klimaschädlichste Art, sich fortzubewegen. Auch wir fragen uns: Muss das sein, mitten in einer Klimakrise? Und darf es sein? Das kategorisch für alle Flüge zu entscheiden, ist schwer.

Die taz-Genoss*innen können aber über einen ganz konkreten Fall abstimmen und ihrer Zeitung eine dringende Empfehlung aussprechen: Soll die taz bei ihren „Reisen in die Zivilgesellschaft“ weiter Ziele anbieten, die üblicherweise mit dem Flugzeug erreicht werden? Nein, ­findet taz-Genosse Stefan Müller, Linguistikprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin, und hat einen entsprechenden Antrag für die Genossenschaftsversammlung am 14. September gestellt.

Worum geht’s? Die taz hat ein kommerzielles Reiseprogramm im Angebot, und zwar mit einem spezifischen Ziel: den Gästen einen Austausch mit der Zivilgesellschaft am jeweiligen Zielort zu bieten. Erfahrene taz-Journalist*innen übernehmen die Reiseleitung.

Es geht dabei mal ins Ruhrgebiet, mal in die Oberlausitz oder nach Brüssel – aber eben auch nach Marokko, nach Istanbul oder zu anderen Fernzielen. Die Anreise ist in der Buchung in der Regel nicht enthalten, theoretisch könnten sich die Reisenden auch selbst für Alternativen zum Flugzeug entscheiden. Die Praxis ist das aber nicht.

In Deutschland verursachen Flüge laut Statistischem Bundesamt und Öko-Institut pro Jahr etwa 28 Millionen Tonnen CO2 – ungefähr 3 Prozent der Treibhausgase. Rechnet man alle Faktoren ein – dass Treib­haus­gase so weit oben in der Luft zum Beispiel noch stärker wirken als am Boden –, machen diese Flüge etwa 10 Prozent des deutschen Beitrags zur Erderhitzung aus.

Fliegen: ein Wort mit x? Foto: plain­picture

Veränderte Horizonte

Manche dieser Faktoren haben ­überhaupt nichts mit CO2 zu tun, etwa die Kondensstreifen der Flugzeuge. Die behindern die von der Erde ausgehende Wärmestrahlung auf dem Weg ins Weltall. Durch eine veränderte Flugroute und -höhe lassen sich Kondensstreifen zwar verringern, ganz vermeiden allerdings nicht.

Das heißt: Selbst wenn man komplett CO2-freie Kraftstoffe entwickelt, im großen Stil herstellt und auf dem Markt etabliert, wird das Fliegen nicht klimaneutral. Zudem läuft es nicht einmal gut beim Hochlauf dieser sogenannten Sustainable Aviation Fuels.

Dagegen steht: Das Reisen an ferne Ziele bildet, es eröffnet neue Horizonte, lässt andere Lebensrealitäten erleben, Empathie für die Lebensumstände dort entwickeln. Genau das ist ja auch der Gedanke der taz-Reisen. Würde man dabei auf das Flugzeug verzichten und stattdessen auf eine Kombination von Bus, Bahn, Fahrrad oder vielleicht auch Schiff setzen, würden Fernreisen ewig dauern. Sie stünden dann kaum jemandem offen. Wer hat schon Zeit für wochen- und monatelange Fahrten? Hinzu kommt, dass das Fliegen aktuell oft billiger ist.

Susanne Schwarz ist seit diesem Sommer Co-Leiterin des Zukunfts­ressorts Ökologie und Wirtschaft.

Sie wollen mitbestimmen? taz.de/genossenschaft

Dagegen steht wiederum: Auch Flugreisen stehen nicht allen offen. Vier Fünftel der Menschen weltweit haben noch nie in einem Flugzeug gesessen. Selbst in Deutschland waren im vergangenen Jahr 55 Mil­lio­nen Menschen mindestens zwölf Monate gar nicht geflogen, hat die Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse gezeigt. Letztlich sind es wenige, eher wohlhabende Viel­flie­ge­r*in­nen, die von den positiven Seiten des Luftverkehrs profitieren – und die Klimakrise für alle verschärfen. Das dürfte, Hand aufs Herz, auch für die taz-Reisen gelten. Die Fahrten an ferne Ziele kosten oft vierstellige Beträge.

Es bleibt ein Für und Wider – das die taz im September gemeinsam mit ihren Ge­nos­s*in­nen abwägen wird. Susanne Schwarz