Willkommen in der Wirklichkeit
: Kommentar von RALPH BOLLMANN

Wer den Kauf eines Hauses oder einer Wohnung plant, sollte sich allmählich sputen. Denn eines scheint so sicher wie der notorische Ärger mit den Handwerkern: Die Eigenheimzulage, von der Oppositionspartei CDU jahrelang verteidigt, wird von einer Regierungspartei CDU wohl abgeschafft. Zudem sollte das neue Häuschen nicht draußen im Grünen liegen, denn auch die Pendlerpauschale wackelt. Zu berücksichtigen ist bei der finanziellen Zukunftsplanung obendrein, dass durch die absehbare Erhöhung der Mehrwertsteuer die Preise steigen und dass auf alle Zinserträge womöglich bald eine Abgeltungsteuer zu zahlen ist. So jedenfalls sieht nach den gestrigen Äußerungen verschiedener CDU-Politiker die schöne neue Welt aus, die vom Herbst an auf uns wartet.

Da kann man den Christdemokraten nur zurufen: Willkommen in der Wirklichkeit! Jahrelang hat die Partei an den schönsten Konzepten für Steuer- und Sozialreformen gearbeitet, jahrelang hat sie das Credo vertreten, großzügige Steuersenkungen würden die Wirtschaft schon ankurbeln und den Staatssäckel wie von Wunderhand wieder füllen. Genau das aber ist der Weg, den die rot-grüne Regierung sieben Jahre lang betrieben hat und an dem sie letztlich auch gescheitert ist. Sieht man von den Steuern auf Benzin und Tabak einmal ab, wurden die Sätze immer niedriger und die öffentlichen Schulden immer höher.

Die Union sollte der Versuchung widerstehen, die aufkeimende Debatte zu ersticken und einen Wahlkampf haltloser Versprechungen zu führen. So war es schon bei der letzten Wechselwahl 1998, als die CDU-Ministerin Claudia Nolte in Ungnade fiel, weil sie das Wort „Mehrwertsteuer“ nur ausgesprochen hatte. Die SPD versprach damals allen alles. Am Ende sind jetzt alle enttäuscht. Das lässt sich verschmerzen, weil die Opposition als Alternative bereitsteht. Wenn auch die Union jetzt Versprechungen macht, die sie nach der Wahl nicht halten kann, gibt es keine glaubwürdige Alternative mehr. Dann sind die Wähler nicht mehr von einer Partei enttäuscht, sondern von der Demokratie selbst. Das wäre auch für die Häuslebauer schlimmer als ein Verlust der Eigenheimzulage.

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