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Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

1961 erfand der Schriftsteller John le Carré das Gegenmodell zum weltgewandten James Bond: George Smiley ist ein ältlicher, korpulenter Mann mit dicker Brille, der seine Außeneinsätze als Agent des britischen Geheimdiensts längst hinter sich hat. Alles, was ihn noch zu erwarten scheint, ist ein ruhiger Schreibtischposten. Doch Smiley besitzt eine unerbittliche Präzision, mit der der unscheinbare Mann den Machenschaften des sowjetischen Geheimdienstchefs Karla nachgeht. In der Verfilmung von „Dame, König, As, Spion“ ist es Gary Oldman, der sich als Smiley auf die Suche nach einem Doppelagenten macht. Entsprechend einer Regiekonzeption, die darauf abzielt, den Geheimdienst als scheinbar leidenschaftslose Welt grauer Männer zu zeichnen, spielt Oldman den Agenten besonders zurückgenommen: Die Miene wie versteinert, scheint er sich wie in Trance durch die verwinkelten Bürogebäude zu bewegen. Doch Regisseur Tomas Alfredson verdeutlicht in seinem intelligent inszenierten Film, wie sehr in dieser Welt trotz allem Liebe und sexuelles Begehren, Ambitionen und Loyalität seinen Protagonisten als Triebfeder dienen – und wie sehr jede emotionale Regung in diesem Beruf angreifbar macht, weil der Gegner jede Schwäche eiskalt für sich auszunutzen versteht. (5.–11. 4., Cosima, Intimes, Kino Kiste, Moviemento 3, Tilsiter Lichtspiele; 5. 4., 7.–11. 4., Union)

Gerade war Harry Belafonte in der Stadt, um ein wenig für seine Autobiografie zu werben. Die Dokumentation „Sing Your Song“ von Susanne Rostock ist gewissermaßen deren Verlängerung ins Kino: Erzählt von Harry Belafonte selbst und entstanden für die Produktionsfirma einer Belafonte-Tochter, darf man den Film nicht unbedingt als kritisch-distanziertes Porträt des Künstlers betrachten. Gleichwohl wird deutlich, wie wichtig Belafonte in der Pionierrolle als selbstbewusster schwarzer Schauspieler in den 1950er Jahren in einem Hollywood war, das bis dato schwarze Charaktere auf der Leinwand eigentlich nur als Sklaven oder fröhliche Bedienstete kannte. Und natürlich kommen im Film Belafontes Weltkarriere als Sänger und sein unermüdliches Engagement für Bürger- und Menschenrechte auch nicht zu kurz. (9. 4., Babylon Mitte)

Eine Reihe von exzentrischen Propagandafilmen sind in der Powell/Pressburger-Retro im Arsenal zu bewundern: In „The Life and Death of Colonel Blimp“ (1943) karikieren die Filmemacher liebevoll britische Traditionen und lassen ihre Hauptfigur Major Candy auch mitten im Krieg seine lebenslange Freundschaft zu einem deutschen Leutnant pflegen. In „A Matter of Life and Death“ (1946) und „A Canterbury Tale“ (1944) stehen jeweils Beziehungen der Briten zu ihren amerikanischen Verbündeten im Hintergrund von reichlich bizarren Geschichten, die um ein Jenseits kreisen, in dem Vorurteile nur schwer kleinzubekommen sind, sowie um den „Leimmann“, der jungen Frauen in Canterbury Klebstoff in die Haare gießt. („The Life and Death of Colonel Blimp“ (OmU), 7. 4.; „A Matter of Life and Death“ (OmU), 8. 4.; „A Canterbury Tale“ (OF), 9. 4.; Arsenal 1) LARS PENNING

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