Sommer, Sonne, Rechtsextremismus

Thüringens AfD-Chef Björn Höcke wirkt nach Verurteilungen und innerparteilichem Streit angeschlagen. Doch im Wahlkampf treibt er die Radikalisierung der AfD nun erst recht an

Nur noch eines von mehreren Machtzentren in der AfD: Björn Höcke beim Sommerfest der AfD in Saalfeld am 27. JuliBodo Schackow /dpa Foto: Foto:

Aus Saalfeld Gareth Joswig

Trillerpfeifen, Tröten und Pfiffe schallen über den Saalfelder Marktplatz. „Unsere Nationalität heißt Mensch“, steht auf einem Banner, das mehrere ältere Damen auf dem Marktplatz zwischen Fachwerkhäusern, einer Polizeikette und zahlreichen Menschen halten. Die „Omas gegen Rechts“, Antifa-Gruppen, Linksjugend, Jusos und die Initiative „Stadt, Land, bunt“ haben sich hier an diesem Samstag Ende Juli versammelt, um gegen einen Auftritt des Rechtsextremisten Björn Höcke zu demonstrieren, dem Spitzenkandidat der AfD Thüringen bei der anstehenden Landtagswahl am 1. September. Der Marktplatz ist an diesem Tag zweigeteilt, auf beiden Seiten stehen rund 500 Personen.

Auch Gewerkschaften und Kirchen hatten zum Gegenprotest aufgerufen, der örtliche Pfarrer hielt eine Rede, ebenso gab es eine Tanzeinlage zum 90er-Sommerhit Macarena. Der Protest ist lautstark und nicht zu ignorieren. Auch wenn Zäune der Polizei die Proteste für ein weltoffenes Thüringen von der AfD-Wahkampfkundgebung abschirmen, übertönt die Gegendemo immer wieder den Beifall der AfD-Anhänger.

Höcke, der sich gerne als Opfer und verfolgter Dissident inszeniert, aber als Landtagsabgeordneter bei Auftritten in der Regel komplett abgeschirmt in einer klimatisierten Luxuslimousine mit mehreren Personenschützern vom LKA vorfährt, hält den Widerspruch heute nicht gut aus. Auf der Bühne wird er sauer. Er spricht angesichts des lauten Gegenprotests von einem „Angriff auf die AfD-Versammlung“, unterbricht mehrfach seine Rede und fordert ein Eingreifen der Polizei auf der Gegendemo.

In diesem Moment bekommt man einen Vorgeschmack davon, was Höcke tun würde, wenn die AfD politisch nicht so isoliert wie derzeit und Höcke an der Macht wäre. „Nochmal, liebe örtliche Kräfte der Polizei: Wenn das nicht funktioniert, bin ich danach auf der örtlichen Polizeidienststelle und mit mir 1.000 Leute, die vor mir stehen!“, ruft er. Eine unverhohlene Drohung gegen die Polizei. Seine Anhänger vor der Bühne johlen, rufen „Bravo!“ und applaudieren. Fotos der Veranstaltung belegen, dass mindestens ein bekannter Neonazi vor der Bühne in Saalfeld steht, auf der Höcke spricht.

Ist eine solche Drohung gegen die Polizei strafbar? Auf taz-Anfrage heißt es von der Polizei Saalfeld, das sie in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft derzeit Videomaterial von Höckes Rede auswertet und hinsichtlich strafrechtlich relevanter Inhalte prüft. Ermittlungen dauerten noch an, heißt es.

Aber unabhängig davon, ob der Aufruf strafbar ist oder nicht, er zeigt die momentane Dünnhäutigkeit Höckes, der Gegenprotest eigentlich gewohnt ist und ihn häufig mit einem süffisanten Witz über Bildungsverlierer wegwischt. Höckes Reizbarkeit ist kein Wunder, die letzten Wochen waren ereignisreich: Das vormals gegen innerparteiliche Gegner stramm hinter Höcke stehende völkisch-nationalistische Lager ist zunehmend fragmentiert. Vor einem Jahr überwarf sich Höcke mit seinem langjährigen Vertrauten aus Sachsen-Anhalt Hans-Thomas Tillschneider, nach dem EU-Wahlkampf dann auch noch mit dem AfD-EU-Spitzenkandidaten Maximilian Krah. Hinzu kommen zwei Verurteilungen wegen der mehrfachen Verwendung der verbotenen SA-Parole „Alles für Deutschland“.

Beim letzten Parteitag wurde zudem deutlich, dass Höcke derzeit nur eines von mehreren Machtzentren in der AfD ist. Die Machttektonik hat sich zumindest momentan zugunsten der großen Landesverbände und um Professionalität bemühten Netzwerkern verschoben, was nicht heißt, dass sie weniger radikal seien.

Und als wäre das alles nicht genug, gibt es seit Monaten auch anhaltende Grabenkämpfe im Landesverband Thüringen, wo Parteifreunde Höcke öffentlich wechselweise als „Gernegroß“ und „Machtmensch“ oder als „Egozentriker“ mit „niederträchtiger Art“ beschimpfen, den Landesvorstand mit Klagen überziehen und bei jeder Gelegenheit Höcke öffentlich für seinen autoritären Führungsstil angreifen, nachdem dieser mehrere ihm liebsame Direktkandidaten in den Wahlkreisen durchgedrückt haben soll.

Zudem hat er zwei bereits gewählten Kandidaten, die ihm nicht passten, kurzerhand die Unterschrift verweigert. Die beiden Wahlkreise im Wartburgkreis dürften nun kampflos an die CDU gehen – seitdem gibt es mitten im Wahlkampf einen heftigen und offenen Streit um Höckes Führungsstil. Die Beteiligten überziehen sich darin gegenseitig mit Klagen, Vorwürfen und Parteiordnungsmaßnahmen, bis hin zum Ausschluss aus der AfD.

Sie führen damit den mühsam vorbereiteten Wahlkampf ad absurdum, bei dem Höcke versucht, sich als zu unrecht verteufelten, arglosen, naturverbundenen Geschichtslehrer und freundlichen Familienmensch zu inszenieren. Von Wahlplakaten lächelt er schwarz-weiß im Close-up mit der Überschrift „Ministerpräsident“.

In Saalfeld zeigt sich angesichts des lauten Gegenprotests wieder Höckes autoritäre Seite. Die Szene zeigt, dass es für Höcke nur die Flucht nach vorne gibt – wenn die Gegendemo nervt, soll die Polizei sie wegknüppeln, sonst komme er halt mit seinen Anhängern in die Polizeistation. Ähnlich äußerte er sich bereits beim Kyffhäusertreffen 2018. Damals sprach er davon, dass die „Zeit des Wolfes“ gekommen sei. Wenn eine AfD-Demo behindert werde, gebe er der Polizei fortan fünf Minuten. Danach würden 1.000 „Patrioten“ im Rücken der Gegendemonstranten auftauchen.

Und auch die Thüringer AfD-Kampagne ist eine Flucht nach vorne. Die verbotene SA-Parole hat sie leicht abgewandelt zum Wahlkampfmotto gemacht: „Alles für Thüringen“ ist nun die Überschrift über dem Wahlprogramm der AfD. Stilecht ist dem Programm ein heimattümelndes Volkslied des späteren NS-Dichters und Antisemiten Franz Langheinrich vorangestellt. Und in einem Clip, der für russisches Gas wirbt, erscheint die Deutschlandfahne wohl nicht nur zufällig schwarz-weiß-rot.

Einer der extrem rechten Slogans auf einem AfD-Wahlplakat heißt direkt „Sommer, Sonne, Remigration“. Der zynische Spruch steht vor einem Abschiebeflieger, in dessen Cockpit Höcke lässig mit Fliegerbrille steht – eine offene und unverhohlen Bezugnahme auf die durch die Correctiv-Recherche bekannt gewordenen Vertreibungspläne auch von Deutschen mit Migrationshintergrund. Die Junge Alternative wirbt vor den Landtagswahlen gleich stumpf in einem Werbeclip für „millionenfache Remigration“, Distanz zu den Vertreibungsplänen des österreichischen Identitären-Chefs Martin Sellner gab es im Osten ohnehin nie.

In Summe also ist es kein Wunder, dass der Thüringer Verfassungsschutz Höckes Landesverband kürzlich als „aggressiv-kämpferisch“ charakterisierte – ergänzend zur „gesichert extrem rechten“ Einstufung seit 2021 ist dies eine Voraussetzung für ein Parteiverbotsverfahren. Der Thüringer Wahlkampf vermittelt den Eindruck, dass die AfD geradezu um ein solches Verbot bettelt. Offen rechtsextrem zu sein, hat der Partei bisher offenbar nicht geschadet. Das jedenfalls scheint in Thüringen die Lehre aus Kommunal- und Europawahlen zu sein, die der AfD Rekordergebnisse brachten – trotz eines rundum verkorksten Wahlkampfes und einem Spitzenkandidaten mit Korruptionsaffäre und Spionageverdacht, der mit SS-Verharmlosung sogar zum Bruch der AfD mit der Rechtsextremen Marine Le Pen und ihrem Rassemblement National geführt hat. Nun bildet die AfD im EU-Parlament mit selbst innerhalb der AfD als „Hooligans“ umstrittenen rechtsex­tremen Parteien eine gemeinsame Fraktion – ganz nach dem Gusto von Höcke.

Johannes Hillje beschäftigt sich seit Jahren als Politikberater und Politikwissenschaftler mit der Kommunikation der AfD. Sein Befund zum Landtagswahlkampf: Während die AfD in Sachsen und Brandenburg auf altbewährte Rezepte setze – allerdings auch dort stärker mit Personalisierung arbeitete als früher –, sei vor allem der Wahlkampf der AfD Thüringen bemerkenswert.

Denn dort bringe Höcke rechtsextreme Botschaften mit einer Wohlfühl-Ästhetik zusammen. Hillje sagt dazu: „Das ist das nächste Level der Selbstverharmlosung, weil es einen Feelgood-Rechtsextremismus vermitteln soll. Die Kampagne versucht Rechtsextremismus zu modernisieren, ästhetisieren und euphorisieren.“ Der Slogan „Der Osten macht’s“ sei ein aktivierender und identitätsstiftender Claim, der darauf abziele, dass es dort den ersten AfD-Ministerpräsidenten geben soll.

Das sei zwar ein unrealistisches Szenario, so Hillje, aber dem Osten werde so eine „Pionierrolle“ zugeschrieben, die aktivieren und motivieren solle. Bemerkenswert sind aus seiner Sicht auch Plakate mit positiver Anmutung: „In der Vergangenheit haben AfD-Kampagnen hauptsächlich Angst erzeugt. Nun werden positive Emotionen vermittelt, unterlegt mit heller und positiver Bildsprache – trotzdem bleibt es bei rechtsextremen Botschaften“, so Hillje. Die AfD setze nicht nur auf negative Emotionen und das Dagegen, sondern auch zumindest auf emotionaler Ebene auf ein Dafür. Es gebe auch zukunftsgerichtete, positive Versprechungen wie bei Trumps „Make America Great Again“ oder dem „Take back control“ der Brexit-Befürworter.

Besonderst sticht für Hillje das Plakat mit dem Slogan „Sommer, Sonne, Remigration“ hervor: „Hier wird positive Sommerurlaubsstimmung mit menschenfeindlicher Programmatik verknüpft, die wir aus der Correctiv-Recherche kennen. Das ist eine neue Dimension der Selbstverharmlosung“, sagt Hillje. Höcke versuche zudem mit Close-up-Fotos und Posen mit Sonnenbrille auf einem Motorrad „menschlich, sympathisch und nahbar“ herüberzukommen und das Bild vom bösen Höcke zu kontrastieren, so Hillje.

Wie wenig harmlos diese Melange von (ost)deutscher Identität in der Mischung mit extrem rechter Ideologie ist, belegt ein weiteres AfD-Wahlplakat. Auf dem posiert Höcke auf einem DDR-Moped der bis heute abgekulteten Marke Simson zum Slogan „Ja zur Jugend!“ Das Motiv zielt passgenau auf jene eher jugendlich und ostdeutsch geprägte Mopedszene, von denen Teile kürzlich ein Simson-Treffen bei Hitlergrüßen und mit Mordaufrufen gegen Schwarze unter einer großen AfD-Fahne feierten.

David Begrich vom Verein Miteinander in Magdeburg hält vor allem die Wirkung solcher alltagskulturellen Motive für unterschätzt. Neu sei, dass die AfD sich nicht mehr nur mit Slogans wie „Vollende die Wende“ politisch auf die DDR beziehe, sondern sich mittlerweile auch alltagskulturelle Aspekte von DDR-Vergangenheit zu eigen mache: Dass die jetzt „Simson statt Lastenrad“ fordere, zeige eine Tendenz bei der AfD, „als Malus empfundene ostdeutsche Insignien positiv zu besetzen und als Bonus zu interpretieren. Das ist ein sehr bewusster Anschluss an kulturelle Erinnerungen im vorpolitischen Raum,“ sagt Begrich.

Das beste Beispiel dafür sei eben das Simson-Moped. Das Motiv rufe bei vielen Erinnerungen ab: Viele hätten zur Jugendweihe eine Simson geschenkt bekommen, verbänden damit Bewegungsfreiheit, Mobilität und ein Gemeinschaftsgefühl. Heutzutage ranke sich ein Kult um die Mopeds, Ersatzteile seien schwer zu bekommen, so Begrich. Im Ergebnis rufe man einen Assoziationskosmos ab, der mit wenig Worten ein ganz bestimmtes Weltbild transportiere: „Es schwingt ein rebellischer Gestus gegen den Mainstream mit: Wir sind authentisch, unentfremdet, ostdeutsch.“ Die Anschlussfähigkeit in weiten gesellschaftlichen Teilen wie etwa in der Fußballkultur sei unterschätzt, so Begrich.

„Der ostdeutsche Zinnober ist Teil der Kämpfe um Mehrheiten, die AfD hat das verstanden, während sich andere Parteien und Zivilgesellschaft mit ostdeutschen Identitätsdebatten schwer tun“, sagt Begrich. Ziel sei eine „vorgetäuschte Selbstentideologisierung“ der AfD und damit eine Verharmlosung und weitere Normalisierung. Interessant sei auch, so Begrich, wer in diesen Erzählungen keine Rolle spiele: „Die migrantische Perspektive ist komplett abwesend. Da wird Gesellschaft imaginiert, wie sie schon in den 80ern nicht war.“

Höcke selbst versucht sich auf seiner gerade erst veröffentlichten Website als friedliebenden Familienmenschen, als beliebten und geschichtsinteressierten Lehrer oder als sympathischen Heimwerker und Gärtner zu verharmlosen und sich als landesväterlich und nahbar zu inszenieren. Plakate zeigen großflächig sein lächelndes Gesicht mit dem Slogan „Ministerpräsident“.

Sonst „bin ich danach auf der örtlichen Polizei­dienststelle und mit mir 1.000 Leute!“

Höcke-Drohung an die Polizei in Saalfeld

Die Website verschweigt großzügig seine langfristigen Verbindungen zur Neonaziszene, seine Freundschaft mit dem ehemaligen NPD-Vorstand Thorsten Heise, der auch als eine Schlüsselfigur des rechtsterroristischen Netzwerks „Combat 18“ gilt oder etwa die mutmaßlich von Höcke verfassten Beiträge für die NPD-Zeitung Volk in Bewegung unter dem Pseudonym Landolf Ladig. Höcke demonstrierte 2010 auf einer Neonazidemo, trieb danach erfolgreich als Kopf des völkisch-nationalistischen Flügels aus Thüringen die Radikalisierung der AfD voran. Bis heute pflegt er Kontakte ins Reichsbürgermilieu, unter anderem zum extrem rechten Aktivisten Frank Haußner, der auch Mitglied einer Gruppe des wegen Terrorverdachts angeklagten Reichsbürgerrruppe um Prinz Reuß XIII. gewesen sein soll.

Höckes rechtsextreme Biografie passt zu seinen Wahlversprechen, zunächst politische Gegner zu bekämpfen, die Pressefreiheit anzugreifen und migrationsfeindliche Politik zu machen. Auch in Saalfeld verspricht er seiner Anhängerschaft, dass er die „linksextreme“ Zivilgesesellschaft finanziell austrocknen, den Medienstaatsvertrag kündigen, die Bundesregierung wegen der Migrationspolitik verklagen und Abschiebeflüge aus Erfurt organisieren will.

Das kommt neben der gewohnten Hetze gegen den Islam, gegen die angebliche „Coronadiktatur“ und Bedrohungsszenarien rund um die Ideologie des „großen Austauschs“ und „Volkstod“ bei den Anhängern auf seiner Kundgebung in Saalfeld gut an: Höcke ruft, dass „wir Deutschen auf dem Weg zur Minderheit im eigenen Land“ seien, schuld daran sei die CDU. Das Publikum buht. Höcke ruft, er wolle eine migrationspolistische und eine demografische Wende. Das Publikum jubelt.

Für seine An­hän­ge­r*in­nen auf dem Marktplatz hat Höcke einfache Forderungen und uneinlösbare Versprechen: Geld für die Energiewende und Entwicklungshilfe will er in höhere Renten investieren, über die allerdings der Bund entscheidet. Ebenso sollen Ausgaben für Sozialleistungen sowie Rüstung runtergefahren werden – gegen den insinuierten „Volkstod“ will er mit einer mit der Einkommenssteuer verrechneten Geburtenprämie („Kinderbegrüßungsgeld“) angehen. Zudem soll es Darlehen für (deutsche) Familien geben, die anteilig nach Kinderanzahl nicht zurückgezahlt werden müssten.

Es sind Forderungen, die zu dem passen, was viele in Höckes Partei Sozialpatriotismus nennen: Angesprochen werden sollen damit gefühlt abstiegsbedrohte Deutsche, gleichzeitig soll Hass gegen Sozialleistungsempfänger geschürt werden. Die AfD lädt systematisch soziale Verteilungskonflikte rassistisch auf.

Gegen sie wünschte Höcke ein Eingreifen der Polizei: Protestierende in Saalfeld Fo­to: Foto: Bo­do Schackow/dpa

Inhaltlich sind Höckes Ausfälle dabei heute in der AfD keine Ausnahmeerscheinung mehr. Ihren inoffiziellen Wahlkampfauftakt für die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg haben die drei Spitzenkandidaten der AfD bei einem rechtsextremen Vernetzungstreffen in Schnellroda beim aufgelösten Institut für Staatspolitik gemacht.

Das Areal war weitläufig abgesperrt, im Publikum saßen Rechtsextreme und Neonazis, die Pres­se­fo­to­gra­f*in­nen vermummt mit White-Power-Zeichen begrüßten. Die neurechte Denkfabrik des Ideologen Götz Kubitschek bringt mit Publikationen seit Jahrzehnten Revolutionsanleitungen unters Volk, verlegte die Vertreibungspläne des Identitären-Chefs Martin Sellner, ist ein enger Wegbegleiter der völkisch-nationalistischen Strömung der AfD – und ein guter Freund von Björn Höcke.

Auf dem Podium in Schnellroda überboten sich die drei Spitzenkandidaten damit, jeweils das unfreundlichste Land für Mi­gran­t*in­nen werden zu wollen. Auch antidemokratische Äußerungen waren zu hören: Der Brandenburger Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt sagte unverhohlen, dass er mit der AfD das System abschaffen wolle: „Wir brauchen die Partei eben auch als Instrument, um den Parteienstaat klein zu schneiden.“ Berndt machte in trauter Runde auch keinen Hehl daraus, dass der formell aufgelöste Flügel ideell weiterbesteht und dass das Ziel der Umsturz bleibt: „Ich gehöre einem Flügel der AfD an, der ein klares Bewusstsein dafür hat, dass wir den Parteienstaat in die Schranken weisen müssen.“

Die Parteichefs Tino Chrupalla und Alice Weidel äußern sich zwar öffentlich weniger deutlich, aber gebieten dem Treiben keinen Einhalt. Im Gegenteil: Beide redeten Anfang Juli im sächsischen Freiberg vor mehreren Hundert AfD-Anhängern. Auf der Kundgebung skandierten viele vor der Bühne stellenweise die von Höcke normalisierte SA-Parole „Alles für Deutschland“. Anstoß nahm niemand daran. Auf der Bühne wurde das kurzerhand sogar umgedeutet in: „Alice für Deutschland“, Gelächter war das Ergebnis. Damit steht dann auch das Wahlkampfmotto für die Bundestagswahl 2025.

Die AfD-Wähler*innen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg scheint all dies nicht zu stören: In Umfragen ist die AfD in allen drei Ländern stärkste Kraft. In Thüringen liegt sie bei knapp unter 30 Prozent. In Thüringen droht nach der Gründung des ebenfalls populistischen Bündnis Sahra Wagenknecht eine Pattsituation und eine Regierungskrise wie nach der letzten Landtagswahl. Höcke jedenfalls wird vor und nach der Wahl jede Gelegenheit zum Angriff nutzen. Bei seinem nächsten Auftritt ist immerhin damit zu rechnen, dass es wieder laut wird: In Altenburg am Freitag, den 2. August mobilisiert das Aktionsbündnis „Demokratie und Solidarität Altenburger Land“ unter dem Motto „Altenburg bleibt stabil“ zur Gegendemo in Hörweite.