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Exil ist eine Bibliothek in Teheran

Die Autor_innen Atefe Asadi und Sam Zamrik gaben am Wannsee Einblicke in ihr Schaffen

Von Ilo Toerkell

Das Literarische Colloquium am Berliner Wannsee (LCB) ist an diesem Dienstagabend dünn besetzt. Schon um sieben Uhr steht die Abendsonne tief genug, um die Gesichter der Anwesenden nach einem heißen Tag in goldenes Licht zu tauchen. Vorne, auf der Bühne, sitzen Atefe Asadi und Sam Zamrik. Erstere ist Dichterin, Autorin und Übersetzerin aus Teheran. 2022 musste Asadi aufgrund des politischen Drucks der Regierung aus Iran fliehen und lebt seitdem in Hannover, von wo aus sie Prosa und Poesie veröffentlicht.

Sam Zamrik ist seit 2015 in Deutschland. Aufgewachsen in Damaskus, Syrien, hat Zamrik Literatur studiert, schreibt Gedichte auf Deutsch und Englisch und ist Mitglied einer Metalband. 2022 hat Zamrik mit „Ich Bin Nicht“ seinen ersten Gedichtband veröffentlicht. Die Autor_innen sind im Rahmen der Reihe „Literatur im Exil“ des LCB und des Goethe-Instituts zusammengekommen und erzählen von der Erfahrung, im deutschen Exil zu schreiben, von ihrem literarischen Handwerk und der Rolle von Literatur in ihren Heimatländern.

„Exil ist Sprache in einem Sumpf aus Zement gefangen, Exil ist eine Bibliothek in Teheran, die nicht in den Rucksack passt.“ Atefe Asadi wippt leicht beim Lesen des Gedichts. Ihre Stirn legt sich in Falten, ihre Mimik spiegelt die Emotionen wider, während ihr Mund die Silben auf Farsi formt. Ihr Blick wandert durch ein Publikum, das, statt auf die Bühne gebannt auf Zettel im Schoß schaut – die deutsche Übersetzung der Texte.

Für Zamrik beutetet Exil, zwischen den Welten zu stehen, sich nach neun Jahren im Ausland weder in Syrien noch in Deutschland zugehörig zu fühlen. „Er zieht sich seine Haut aus, und vergisst, dass er noch immer – immer noch der Außenseiter ist“, schreibt Zamrik im Gedicht „Verrätermund“. Das Schreiben auf Englisch beziehungsweise Deutsch war für den_die Autor_in bereits in Damaskus ein Weg, sich der ­Zensur zu entziehen. Dort gründete Zamrik einen Poesieklub, der dem von der Regierung kontrollierten Literaturbetrieb trotzte.

Im Gegensatz dazu ist das Teheraner Alltagsgeschehen Inspiration für Asadis Texte auf ihrer Muttersprache Farsi. Von dieser ist sie nun abgeschnitten. In der Übersetzung gehen Emotionalität und Rhythmik verloren, beklagt sie, und Texte auf Farsi finden in Deutschland seltener ihr Publikum. Dennoch sieht sie ihre Position als Exilautorin auch als eine Chance, Aufmerksamkeit für die Erfahrungen der Frauen in Iran zu wecken. Viele von Asadis Texten stehen im Kontext der feministischen Revolution in Iran.

Politische Literatur kann in Iran, wie in Syrien, nur im Untergrund stattfinden. Zwar können Zamrik und Asadi sich in Deutschland freier ausdrücken, aber als migrantische Personen sehen sie sich hier mit rassistischen Stereotypen, Exotisierung sowie Marginalisierung konfrontiert. Zamrik erzählt von der Frustration darüber, auf die Rolle als Exilautor_in reduziert zu werden, wenn Personen ohne Fluchterfahrung diese in jeden Text hineinkonstruieren. „Mich gibt es mehrfach“ ist eine Zeile aus dem Gedicht „Wer?“ von Zamrik, die sich gegen die Fremdzuschreibung einer statischen Identität wehrt.

An diesem Abend im LCB, während sich der orangene Himmel zu blau verwächst, gewähren Asadi und Zamrik einen kleinen Einblick in ihr facettenreiches künstlerisches Schaffen. Wer nicht dabei war: Einige Texte der Autor_innen können auf der Website von „Weiterschreiben“ in Original und Übersetzung gelesen werden.

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