berliner szenen: Lachen ist besser als weinen
Auf dem Weg zu meiner Zahnärztin hole ich mir einen Espresso. Vom Timing her ist das nicht ideal, aber ich habe einfach zu viel Lust auf einen guten Kaffee, nachdem ich den ganzen Nachmittag am Computer saß und es nur French Press gab. Das erkläre ich meiner Zahnärztin ausführlich, bevor ich den Mund für den zweiten Teil der Wurzelbehandlung weit aufmachen muss und nicht mehr reden kann. Schon bei der Rezeptionistin lege ich die Situation offen und frage sie, ob ich mir die Zähne putzen darf. In der Toilette hängt ein Schild an der Wand: „Du musst nicht alle Zähne putzen, sondern nur die, die du behalten möchtest.“
Meine Zahnärztin sagt mir, Kaffee sei okay. Sie trinke selbst gerne Kaffee. Es gäbe Schlimmeres. „Knoblauch“, sagt die Assistentin. „Trotz Erkältung und Maske,“ ergänzt die Zahnärztin. Es fällt mir in meiner Position schwer zu lachen, aber sie scherzen weiter und ich kann es kaum aushalten, ohne zu grinsen. Sie scheinen nie wieder aufhören zu wollen, lustige Geschichten zu erzählen oder Witze miteinander zu machen. Sie feuern sich gegenseitig an. Schneidet sich die Assistentin einen Finger, sagt die Zahnärztin zum Beispiel: „Hauptsache, nicht ins Fleisch der Patientin bluten.“ So geht es weiter, bis sie mit mir fertig sind. Das hilft mir, nicht viel zu merken, was sie gerade mit meinem vorderen Zahn anstellen. Normalerweise lenke ich mich ab, indem ich Gegenstände auf der Fensterbank beobachte (mein Liebling ist die tanzende Solaruhr in Form eines Gänseblümchens mit Sonnenbrille) oder in Gedanken durch die Straßen einer Stadt (wie Barcelona) spaziere. Diesmal habe ich das nicht nötig. Die Behandlung geht schnell vorbei. „Lachen kann gefährlich sein“, sage ich als erstes, als ich wieder reden kann. „Immerhin besser als weinen“, antwortet sie, und ich gebe ihr recht.
Luciana Ferrando
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