das wird: „Ohne Alma hat Hitchcock nichts gemacht“
In Hamburg sind heute in 13 Kinos 14 Alfred-Hitchcock-Klassiker zu sehen. Gefeiert wird morgen dessen Frau Alma: Thilo Wydra hat die erste Biografie über beide geschrieben
Interview Wilfried Hippen
taz: Herr Wydra, warum noch ein Buch über Alfred Hitchcock. Gibt es nicht genug?
Thilo Wydra: Dies ist kein Buch über die Filme von Alfred Hitchcock, sondern eine Biografie von ihm und seiner Ehefrau und Mitarbeiterin Alma. Es ist weltweit das erste Buch über die beiden. Es gibt ein paar wissenschaftliche Essays über ihre Zusammenarbeit, aber dieses Buch war längst überfällig.
taz: Was ist denn so besonders an den beiden?
Wydra:Als ich 1997 ein Interview mit Patricia, der Tochter der beiden, geführt habe, fiel mir auf, wie wichtig ihre Mutter für Hitchcocks Leben und seine Arbeit war. Sie sagte, dass ihre Mutter nie dafür gewürdigt worden sei, dass sie diejenige war, die sowohl familiär wie auch beruflich den Laden zusammengehalten hat. Ohne Alma hat Hitchcock nichts gemacht. Als ich im letzten Jahr ihre drei Enkelinnen interviewt habe, sagten auch sie, dass sie im Leben wie auch bei der Arbeit eine untrennbare Symbiose gewesen seien.
taz: Welchen Einfluss hatte Alma auf Alfreds Arbeit?
Wydra: Die beiden haben zusammen die Filmstoffe ausgesucht. Je nachdem, ob Alma bei einem Buch den Daumen gehoben oder gesenkt hat, wurden die Filmprojekte angegangen oder zur Seite gelegt. Bei „Über den Dächern von Nizza“ hat sie die lange Verfolgungsjagd strukturiert und choreografiert. Und beim Schnitt von „Psycho“ war sie die Einzige, die ein Zwinkern im Auge der „Leiche“ von Janet Leigh entdeckt hat. So haben sie zusammen 53 Filme in 53 Ehejahren gemacht.
Thilo Wydra
1968 geboren, ist Autor und Journalist. Er hat viele Biografien von KünstlerInnen wie Volker Schlöndorff, Romy Schneider und Alfred Hitchcock geschrieben.
taz: Wenn man Ihr Buch liest, wird klar, dass Filmemachen für beide eine Obsession war.
Wydra: Alma hat selber von sich gesagt, sie sei „film mad“. Das Schöne an diesem Paar ist, dass sie diese Besessenheit geteilt haben. Da haben sich zwei Menschen gefunden, die nach jedem Film ganz hibbelig da saßen und sich fragten, was denn ihr nächster Film sein könnte.
taz: In gewisser Weise sind Sie auch von Hitchcock besessen.
Wydra: Ja, dies ist schon mein drittes Buch über Hitch und meine Biografien von Grace Kelly und Ingrid Bergman hatten ja auch viel mit ihm zu tun. Er hat mich seit meiner Jugend fasziniert und geprägt. Ich müsste lange überlegen, wer ihm visuell und ästhetisch das Wasser reichen könnte. Er hat viele andere Künstler*innen beeinflusst und sein Werk umfasst über 50 Jahre des 20. Jahrhunderts. Auch wenn einige seiner Filme inzwischen über 70 Jahre alt sind, halte ich sie für zeitlos, denn er erzählt in ihnen vom verlorenen Individuum in der Moderne.
taz: Ihr Buch führt oft von den Filmen weg. Sie beschreiben, was bei Familie Hitchcock gekocht wurde, wie die Tochter Pat in New York Theater gespielt hat, oder die Reisen der beiden nach St. Moritz.
Filmevent „Eine Stadt sieht Hitchcock“: heute, ab 17 Uhr; Programm auf www.eine-stadt-sieht-einen-film.de
Buchpremiere „Alma & Alfred Hitchcock“ (Heyne, 496 S., 24 Euro) mit Autor Thilo Wydra: Mi, 14. 8., 19 Uhr, Metropolis-Kino
Wydra: Wenn man Alma gerecht werden will, dann muss man auch ihre Lebensgeschichte erzählen. Dazu gehören die Aufenthalte in St. Moritz, weil dies für beide immer ihr Lieblingsort war. Ich habe für meine Recherchen als Erster den riesigen Nachlass von Alma ausgewertet.
taz: Sie schreiben nur wenig über bekannte Hitchcock-Filme, aber ausführlich über nicht so erfolgreiche Werke wie „Marnie“ oder „Sklavin des Herzens“. Eine Art von Ehrenrettung?
Wydra: Über Filme wie „Der unsichtbare Dritte“ wurde schon so viel geschrieben, dass sie thematisch ausgelutscht sind. Sklavin des Herzens“ oder „Marnie“ sind eher unbekannt geblieben, dabei ist gerade „Marnie“ einer der wichtigsten Filme von Alma und Hitch. Das sind unterschätzte Filme und die muss man würdigen.
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