Kersten Augustin
Materie
: Ein Sommerinterview mit Benita, der Kuh, in den bayerischen Alpen

Foto: Doro Zinn

Das politische Berlin ist in der Sommerpause, der Kanzler ist im Urlaub an einem unbekannten Ort und schickt Machtwörtchen an den ­Finanzminister, und auch diese Kolumnenspalte muss gnadenlos mit Wörtern gefüllt werden, so will es unsere Pflicht gegenüber dem taz-Leser.

Womit füllt man die Sommerpause? Mit Sommerreisen und Sommerinterviews. Da an meinem Urlaubsort, ein Dorf am Rande der bayerischen Alpen, keine Spitzenpolitiker zur Verfügung stehen, sprechen wir mit der Kuh Benita, die fünf Meter entfernt kauend auf der Weide steht und so stoisch schaut, wie es in Berlin nur der Kanzler kann.

taz: Benita, erlauben Sie einem Preußen, der zum ersten Mal Urlaub in Bayern macht, mit Blick auf die Berge schwimmen und wandern geht, einen unqualifizierten Kommentar: Boah, ist das schön hier.

Benita:Ist Ihnen mal aufgefallen, dass die Leute politisch progressiver werden, je hässlicher ihre Aussicht vor dem Fenster ist? Ich würde auch wollen, dass alles anders wird, wenn ich aus der norddeutschen Tiefebene kommen würde. Als antifaschistischer Kuh gehen mir die konservativen Bayern trotzdem auf die Nerven.

taz: Die Ampel streitet schon wieder über den Haushalt. Ihr Kommentar dazu?

Benita: Muuuh! Ich werde vor allem aus EU‑Subventionen bezahlt und bleibe deshalb entspannt. Und die Bauernproteste sind ja zum Glück vorbei.

taz: Wenn man hier in Bayern übers Land fährt, sieht man noch die Protestschilder, die ich sonst aus Ostdeutschland kannte. Zum Beispiel: „Fachkräftemangel? Gibts nur in der Regierung!“ Oder einen ­selbstgemalten ­Grabstein für „den Bauern“.

Benita: So ein Schmarrn! Dass mein Bauer quicklebendig ist, spüre ich jeden Tag schmerzhaft an meinem Euter. Den Fachkräftemangel auch. Hier fehlen überall Arbeitskräfte, das örtliche Autohaus wirbt gerade mit 3.000 Euro Prämie für einen vermittelten Verkäufer.

taz: Da Sie Ihr Euter ansprechen. Mein Sohn (7) hat gerade verstanden, dass Ihnen die Kälber weggenommen wurden, damit die Menschen Ihre Milch trinken können. Journalistenfrage: Wie hat sich das angefühlt?

Benita: Keine biografischen Fragen, das hatten wir vor dem Interview abgemacht! Aber ja, ich als Kuh würde Ihnen Hafermilch empfehlen. Dass Menschen die Muttermilch anderer Tiere trinken, ist „weird“, wie Tim Walz sagen würde.

Kersten Augustin leitet das Inlandsressort der taz.

taz: In dieser Woche haben Hubert Aiwanger und Steffi Lemke ein paar Ihrer Kolleginnen auf einer Almtour besucht und sich dabei ­fotografieren lassen.

Benita: Steffi Lemke? Nie gehört. Letztes Jahr kam der Södermarkus noch höchstpersönlich auf der Alm vorbei, aber da war auch Wahlkampf. Und der Hubsi kann froh sein, dass seine Sommerreise ihn nicht zu mir geführt hat, dem hätt’ich aber einen Tritt gegeben. ­Antifa ist Hufarbeit!

taz: Die beiden haben auf der Alm angekündigt, den Bauern bei ihrem Kampf mit dem Wolf zu helfen. Macht Ihnen der Wolf Angst?

Benita: Ich weiß nicht, was mir mehr Angst macht – bayerische Bauern mit der Lizenz zu Schießen oder diese Preußen, die aus germanischer Folklore ausgerechnet das Lieblingstier des Führers schützen wollen, während sie alle anderen gern auf den Grill legen.

„Ich als Kuh würde Ihnen Hafermilch empfehlen“

taz: Bei meiner Deutschlandreise von den Brandenburger Seen bis zu Ihnen bin ich diesen Sommer immer wieder dem Sylt-Lied begegnet. Hier bei Ihnen im Dorf saß gestern im Wirtshaus ein Mann mit einem T-Shirt, das die Sylt-Silhouette in Schwarz-Rot-Gold zeigt, dazu die Zeile: „Döp Dö Dö Döp“.

Benita: Wer war das? Dem leg ich einen Fladen vors Haus!