Konträre Stil-Zwillinge der Moderne

Das Kölner Museum Ludwig widmet Max Beckmann und Fernand Léger eine Doppelausstellung. In ihren Lebensdaten nahezu identisch, stehen beide im 20. Jahrhundert für eine konsequente Auseinandersetzung mit der Malerei

Wenn Ausstellungsmacher unterschiedliche Künstler zeigen und „neue Zusammenhänge“ versprechen, ist das oft eine Ausrede dafür, dass ihnen nichts Neues eingefallen ist. Bei der Ausstellung „Unerwartete Begegnungen – Max Beckmann und Fernand Léger“ im Kölner Museum Ludwig ist das anders. Den Besucher erwartet neben dem Genuss auch die Erkenntnis überraschender Parallelen zwischen den beiden Künstlern. 70 Bilder wurden für diese Ausstellung zusammengetragen, die nur in der Domstadt zu sehen ist.

Der französische Künstler Léger (1881-1955) und der deutsche Maler Beckmann (1884-1950) dürften sich persönlich nie begegnet sein, die Arbeit des jeweils anderen war ihnen aber wohl bekannt. Beide waren solitäre Künstlerpersönlichkeiten, doch die formalen Ähnlichkeiten sind verblüffend. Beide arbeiten mit schwarzen Konturlinien, die bildbeherrschenden Körper sprengen den Rahmen, beide suchen für ihre Komposition den räumlich gestaffelten Ausschnitt. In der Ausstellung entsteht der Eindruck gemeinsamer Schwerelosigkeit. Ihre Figuren schweben, taumeln und stürzen, auch durch die damalige Welt des Zirkus und seiner Artisten.

Die stilistischen Ähnlichkeiten widersprechen dem unterschiedlichen Charakter der beiden Künstler. Léger war ein Optimist. Die Formensprache des Kubismus, zu dessen Mitbegründern er gehörte, entwickelte er zu klaren, offenen Strukturen weiter. Léger glaubte an den Fortschritt durch eine menschenfreundliche Technik, oft zeigten seine Bilder naiv-verspielte Utopien, bunte Idyllen nahe am Etikett „Friede, Freude, Eierkuchen“. Ganz anders dagegen der Expressionist Beckmann, ein Zweifler, ein Skeptiker voller Schwermut, ein Künstler, der immer über das Selbstporträt den Weg in das Ich sucht, der den Zwiespalt in den menschlichen Beziehungen malte. Ein Künstler der gedämpften Farbigkeit, bei dem selbst die Erotik oft aggressive Züge offenbart.

Der Besucher der Ausstellung kann sich weder der Ähnlichkeit noch dem Gegensatz der Bildsprache entziehen. Dafür sorgt die konfrontative Hängung. Légers fröhlichem Paradiesbild „Adam und Eva“ (er im bunten Ringelganzkörperbadedress) vor Knuffelwolken wird Beckmanns „Messingstadt“ gegenüber gestellt. Das Bild zeigt ein eher von dramatischer Spannung geprägtes Paar. Unterschiede auch zwischen den massiven „Drei Schwestern“ von Léger und Beckmanns „Fünf Frauen“, zwischen denen die Luft zu knistern scheint. Konträre Sichtweisen auch zwischen Beckmanns „Selbstbildnis mit schwarzer Kappe“ aus dem Jahr 1934, mit skeptisch-fragendem Blick des Künstlers, dessen Augen im Schatten verborgen sind und dem selbstbewusst und optimistisch blickenden „Mechaniker (1920) vom Franzosen Léger inmitten seiner technischen Welt. So faszinierend diese „unerwarteten Begegnungen“ auch sind, es wird nicht klar, warum konträre Künstlerpersönlichkeiten zu derart ähnlichen Stilmitteln griffen. JÜRGEN SCHÖN

Museum Ludwig, KölnBis 28. August 2005