Olympia-Eröffnungsfeier in Paris: Regen und Tränen – alles im Fluss

Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen fand am Freitag die Eröffnung der Pariser Sommerspiele statt. Sie stellte sich als sehr feuchte Angelegenheit heraus.

Mehrere Personen in weißer Kleidung in der Nacht. In der Mitte ein älterer Herr im Rollstuhl. Er übergibt das Olympische Feuer an zwei Personen rechts im Bild

Der 100-jährige ehemalige Radsportler Charles Coste (m.) übergibt das olympische Feuer an Marie-Jose Perec und Teddy Riner Foto: Jan Woitas/dpa

Blick von einer Brücke mit vielen Zuschauern mit Kopfbedeckung auf die Seine, auf der Schiffe fahren

Wer einen der teuren guten Plätze am Ufer der Seine oder auf einer Brücke ergattern konnte, musste dann aber auch dem Niederschlag trotzen Foto: Hu Huhu/reuters

PARIS taz | Am Ende sollte geweint werden. Und es wurde geweint. Céline Dion,die kanadische Star-Diseuse, die wegen einer schweren Krankheit lange nicht mehr aufgetreten ist, hatte oben vom Eiffelturm aus die „L’hymne à l’amour“ der französischen Chanson-Legende Edith Piaff geschmettert und damit für einen letzten Höhepunkt der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele von Paris gesorgt.

Da war das Event von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron offiziell schon eröffnet worden. Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, hatte seine obligatorische Rede gehalten. Militärs hatten die Olympische Flagge, die wie ein Heiligtum zum Fahnenmast getragen wurde, gehisst, und das Olympische Feuer brannte in einem Ring mit sieben Metern Durchmesser, der von einem Heißluftballon über den Place de la Concorde im Herzen von Paris in die Höhe getragen wurde.

Der olympische Feuerballon war auch für viele zu sehen, die sich keinen Premiumplatz für 3.000 Euro in der Nähe der Ehrentribüne unter dem Eiffelturm leisten konnten. Über 300.000 Menschen sollen sich an der Seine postiert haben, um das Spektakel, das die berühmtesten historischen Stätten von Paris zur Kulisse für die große Show zum Auftakt der Sommerspiele gemacht hat, vor Ort zu verfolgen. Ursprünglich sollten noch viel mehr Zuschauende zu dem Open-Air-Spektakel zugelassen werden. Doch aus Sicherheitsgründen hatten die Organisatoren ihre Zahl begrenzt.

Wer vor Ort etwas von der Show sehen wollte, musste sich zuvor registrieren lassen und einen speziellen Pass für die Feier besorgen. Heerscharen von Polizisten kontrollierten die Zugänge zum Fluss und scannten die QR-Codes, die den Fans zugewiesen worden waren. Wer die Kontrolle passiert hatte, durfte sich an einer vorgegebenen Stelle mit freier Sicht auf die Seine postieren. Es dauerte dann ein paar Stunden, bis alle Boote, von denen die Mitglieder der Olympiateams mit großer Fahne und kleinen Fähnchen winkten, vorbeigeschippert waren.

Das TV-Bild war weitaus freundlicher

Das war ja eine der Besonderheiten dieser ungewöhnlichen Eröffnungsfeier. Sie fand nicht im Stadion statt, sondern mitten in der Stadt. Die Athletinnen und Athleten marschierten nicht über die Laufbahn ein, sondern wurden auf dem Fluss transportiert. Die Idee wurde dann aber doch reichlich verwässert. Es regnete in Strömen an diesem arg grauen Sommerabend in Paris. Und so waren etliche Olympiafans schon auf dem Weg nach Hause, als die letzten Boote noch unterwegs waren.

Den größten Teil der Show, die ja über die Stadt verteilt aufgeführt wurde, konnten die Zuschauer vor Ort sowieso nur über die zahlreichen an der Seine entlang postierten Großbildschirme verfolgen. Das erwies sich als gar nicht mal so schlecht: Das TV-Bild war weitaus freundlicher, der Bildschirmhimmel heller als das finstere Gewölbe über Paris. Und so kam durchaus Stimmung auf, als kurz nach Beginn der Show US-Superstar Lady Gaga auf den Leinwänden erschien, um auf Französisch das Lied „Mon truc en plumes“ von der 2020 verstorbenen und in Frankreich so sehr verehrten Sängerin und Schauspielerin Zizi Jeanmairie zu performen. Lady Gaga ist ja eine erfahrene Eröffnungssängerin für Sportgroßereignisse. 2015 gab sie die John-Lennon-Schnulze „Imagine“ zum Opening der European Games in Baku zum Besten.

Daran, dass Lady Gaga einst für die aserbaidschanischen Öldiktatur geträllert hat, wollte sich an diesem Abend natürlich niemand stören, auch wenn da was nicht wirklich zusammenpasst. Die Eröffnungsfeier von Paris wurde als Weihefest für Diversität inszeniert. Ein gleichgeschlechtliches Pärchen, das sich in der alten Nationalbibliothek kennenlernt, spielt dabei eine Hauptrolle. Und auch, dass die malisch-französische Sängerin Aya Nakamura bei ihrem Auftritt vom Orchester der republikanischen Garde in Frankreich begleitet wurde, war Teil des bunten Frankreich-Gemäldes, das da vor dem Louvre präsentiert wurde.

Von dem bekamen die zahlreichen Menschen, die sich ohne Zugangsberechtigung dem kilometerlangen Eventgelände genähert hatten,kaum etwas mit. Manchmal war am Ende einer Gasse ein Teil eines Bildschirms zu sehen. Und wer Glück hatte, erspähte doch tatsächlich in der Ferne ein paar Tänzer am Seine-Ufer. Wer dem Zaun zu nahe kam, um vielleicht mal ein Beweisfoto für Freunde zu schießen, wurde umgehend von einem Polizeibeamten zurechtgewiesen. Es galt, einen gehörigen Sicherheitsabstand einzuhalten.

Dennoch harrten etliche Fans, oft eingehüllt in die Fahne ihres Heimatlandes, lange im Regen aus. Vor dem Hôtel de Ville hatte sich eine Gruppe von Leuten aus Kolumbien eingefunden, die laut aufschrien, als sie das Boot ihres Teams auf dem Bildschirm erkannten. Ein chinesischer Liveblogger, der das wenige filmte, was von seinem Platz aus zu sehen war, freute sich, dass er endlich einmal etwas berichten konnte, was seine Follower zu Hause nicht auch auf dem TV-Bildschirm sehen konnten. Dazu gehörten auch die lauten Buhrufe vieler Anwesender, die ertönten, als das Boot Israels auf der Leinwand erschien. Nachdem das vorbeigefahren war, verließen die Krakeeler umgehend ihre Plätze, und es sah fast so aus, als seien sie nur zur Seine gekommen, um ihre Schmährufe abzusetzen.

Davon wie sich Frankreich an diesem Abend präsentiert hat, als arg stolze, aber eben auch offene Gesellschaft, die endlich auch die historischen Verdienste von Frauen für das Land zu würdigen beginnt, werden sie nicht viel mitbekommen haben. Vielleicht waren sie ja vor dem Ende der Show schon zu Hause und konnten am Bildschirm mitverfolgen, wie Frankreichs geliebte und zwischenzeitlich tief gefallene Sprinterin Marie-José Perec, dreifache Olympiasiegerin in den 1990er Jahren, und Teddy Riner, der Judoka, der in Paris seine dritte Goldmedaille gewinnen möchte, den olympischen Feuerkranz entflammten.

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