Menschenhandel nimmt zu: Mehr Zwangsarbeit, wenig Hilfe

Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat Zahlen zur Arbeitsausbeutung vorgestellt. Es fehle Betroffenen an Unterkünften und Beratung.

Ein Erntehelfer legt Spargel auf ein Transportband.

Betroffene sind oft Leih­- oder Sai­son­ar­bei­te­r*in­nen in Branchen wie der Landwirtschaft, der Fleisch- oder der Bauindustrie Foto: Malte Ossowski/Sven Simon/imago

BERLIN taz | Das Deutsche Institut für Menschenrechte fordert einen besseren Schutz für Betroffene von Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung. „Es kann und darf nicht sein, dass Menschen, die hier in Deutschland ausgebeutet werden, und sich an Beratungsstellen und Behörden wenden, nicht vor Tä­te­r*in­nen geschützt untergebracht und stabilisiert werden können“, sagte Naile Tanış, Leiterin der Berichterstattungsstelle Menschenhandel des Instituts.

Auf einer Pressekonferenz aus Anlass des Welttag gegen Menschenhandel am 30. Juli stellte Tanış am Donnerstag eine Analyse mit dem Schwerpunkt auf Betroffenenunterkünfte vor. Insbesondere sei der Zugang zu Sozialleistungen für Betroffene langwierig und hürdenreich. Dieser sei jedoch eine notwendige Voraussetzung, um eine angemessene und sichere Unterkunft finanzieren zu können. Zudem mangele es an spezialisierten Fachberatungsstellen für Betroffene und deren langfristiger Finanzierung. Auch eine umfassende psychosoziale Behandlung fehle, so das Ergebnis der Analyse.

Die Anzahl an Betroffenen von Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung sei laut Leiterin Tanış angestiegen. Das Bundeskriminalamt erfasste im Jahr 2022 1.019 Opfer, was einer Zunahme um knapp 600 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Diese Datenlage sei laut Studie jedoch wenig belastbar, da die Dunkelziffer an Betroffenen, die nicht im Rahmen von Strafverfahren dokumentiert würden, weitaus höher liege.

Als Betroffene gelten unter anderem Personen, die als Leih­- oder Sai­son­ar­bei­te­r*in­nen in Branchen wie der Landwirtschaft, der Fleisch- oder der Bauindustrie tätig sind. Tä­te­r*in­nen, wie zum Beispiel Leiharbeitsfirmen, nutzten gezielt ihre schlechte wirtschaftliche Situation aus und beschäftigten sie zu unzureichender Bezahlung, unzumutbaren Arbeitsbedingungen sowie überhöhten Vermittlungs- und Mietbeträgen. Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung ist dabei zu unterscheiden vom Zweck der sexuellen Ausbeutung.

Appell an Bundesregierung, Koalitionsvertrag umzusetzen

Schon bei der Anwerbung, die beispielsweise über soziale Medien ablaufe, lockten die häufig in mafiösen Strukturen organisierten Tä­te­r*in­nen Arbeitskräfte unter falschen Versprechungen teils aus dem Ausland an und setzten sie hierzulande unter enormen Zwang. Oftmals geschehe dies in Form von psychischer und physischer Gewalt.

Aus den Ergebnissen der Analyse entwickelten die Au­to­r*in­nen Leitlinien für Unterkünfte, die alle Betroffene von Arbeitsausbeutung vor ihren Tä­te­r*in­nen schützen und ein stabiles Umfeld gewährleisten sollen. Naile Tanış forderte, Fachberatungsstellen und Behörden zu stärken. Außerdem appellierte sie an die Bundesregierung, ihre Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen und auch ausländischen Betroffenen ein Aufenthaltsrecht unabhängig von ihrer Kooperationsbereitschaft in Strafverfahren zu gewähren.

Nach der Europaratskonvention gegen Menschenhandel von 2005 ist Deutschland dazu verpflichtet, Betroffenen von Menschenhandel unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrem Aufenthaltsstatus und der Form der Ausbeutung eine angemessene und sichere Unterkunft zu gewährleisten. (Mit Agenturen)

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