Steine des Anstoßes

An vielen Orten auf der Welt gab es Versuche, mit Statuen an die sogenannten Trostfrauen zu erinnern. Ob sie noch stehen, hängt vor allem davon ab, wie sich die jeweiligen Staaten und Kommunen gegen Druck aus Japan behaupten

Von Sven Hansen

Im Touristenort Stintino an Sardiniens Nordwestspitze ist am 22. Juni Italiens erste Friedensstatue eingeweiht worden. Das von einem südkoreanischen Künstlerpaar geschaffene, lebensgroße Bronzedenkmal einer sitzenden jungen Frau erinnert an die 200.000 asiatischen Zwangsprostituierten der Kaiserlichen Japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg. Diese und ähnliche Mahnmale prangern sexuelle Kriegsgewalt und ihr Verschweigen an. Für die Regierung in Tokio und Japans Rechte, die gern Kriegsverbrechen relativieren oder verschweigen, ist das ein rotes Tuch.

Stintinos Bürgermeisterin Rita Limbania Vallebella, eine frühere Menschenrechtsanwältin vom sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), sagte zu den 200 Teilnehmenden der Zeremonie laut Medienberichten: „Indem wir die Friedensstatue aufstellen, erklären wir unsere Solidarität mit allen Frauen, die unter der Tragödie von Kriegen leiden.“ Das Denkmal steht 200 Meter vom Rathaus entfernt prominent am Hafen. Vallebella setzte sich mitsamt Amtsschärpe demonstrativ auf den zur Statue gehörenden freien Stuhl und verwies auf die aktuellen Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten.

Laut der Regionalzeitung L’Unione Sarda hatte Japans Botschafter versucht, Vallebella die Einweihung der Statue auszureden. Damit folgte er seiner konservativen Regierung, die stets Druck auf Regierungen, Kommunen, Politiker, Universitäten oder Museen macht, um die Erinnerung an sexuelle Kriegsgewalt Japans und anderer Mächte zu verhindern. Begleitet wird dies oft von E-Mail-Kampagnen rechter Kreise bis hin zu Drohungen.

Die Statue in Stintino ist nach der in Berlin erst die zweite auf öffentlichem Grund in Europa. Die erste Statue überhaupt wurde im Dezember 2011 in Südkoreas Hauptstadt Seoul vor Japans Botschaft aufgestellt. Anlass war die dortige tausendste Mittwochsdemo sogenannter Trostfrauen (ein Euphemismus für die früheren Sexsklavinnen) und ihrer Unterstützerinnen. Trotz des diplomatischen Drucks, einiger Gerichtsverfahren und Versuchen konservativer Kreise in Korea, deren Vorfahren zum Teil mit der japanischen Kolonialmacht kollaboriert hatten, steht die Statue noch heute.

Laut der vom privaten Museum der Trostfrauen in Berlin herausgegebenen Broschüre „Die Geschichte(n) der Friedensstatuen weltweit“ wurde außerhalb Südkoreas die erste Statue 2013 in der kalifornischen Stadt Glendale bei Los Angeles aufgestellt. Sie wurde wiederholt beschmiert und bis zum Supreme Court gerichtlich herausgefordert – vergeblich. Tokios Druck fruchtet in den USA im Unterschied zu anderen Ländern nur wenig. So verzichtete San Francisco 2018 lieber auf die Städtepartnerschaft mit Osaka, Japans zweitgrößter Stadt, als auf das Denkmal, das die damalige Bürgermeisterin ein „Symbol für den Kampf aller Frauen“ nannte.

In China (Schanghai) und Taiwan (Tainan) steht jeweils nur eine Statue. In den Philippinen, Argentinien und Australien verhinderte japanischer Druck die Aufstellung von Trostfrauendenkmälern oder bewirkte deren Entfernung. Die Philippinen sind wirtschaftlich stark von Japan abhängig. Die InitiatorInnen in Sydney, Melbourne und Toronto wichen mit den Statuen auf Privatgrundstücke aus.

In Japan selbst steht schon seit 1986 ein Trostfrauendenkmal im abgeschiedenen ­Kanita-Frauendorf in ­Tateyama (Präfektur Chiba). Eine frühere Sexsklavin hatte es mithilfe eines lokalen Pfarrers errichten lassen. Doch im August 2019 musste eine in der Aichi Triennale in Nagoya aufgestellte Friedensstatue, die zu einer Ausstellung gegen Kunstzensur gehörte, schon nach drei Tagen wieder abgebaut werden. Es hatte Hunderte Beschwerden bis hin zu Drohungen mit Brandanschlägen gegeben. Mit Stintino stehen derzeit 15 Trostfrauendenkmäler in sieben Staaten auf öffentlichem Grund.