kunstraum
: Berliner Zeitvergleich

In den 1970ern flog hier ganz anderes durch die Lüfte: Renate von Mangoldt, „Auf dem Tempelhofer Feld“, August 2021 Foto: © Renate von Mangoldt

Zurzeit hat Berlin Ferien. Das heißt, die Berliner sind im Urlaub und so wirkt die Stadt im Moment sehr leer. Ihre Stein- und Betonmassen scheinen hinter dem Grün der Straßenbäume, Parks, Schwimmbäder und Seen verschwunden zu sein. Dafür kann man sie andernorts um so besser kennenlernen: in der Jebenstraße 2, gleich hinter dem Bahnhof Zoo. Dort läuft im Museum für Fotografie die spannende Ausstellung „Renate von Mangoldt: Berlin Revisited. Zeitsprünge 1972–1987/2021–2023“.

Vielleicht, weil vor zwei Wochen Heinz Bude, Bettina Munk und Karin Wieland, bei Vincenz Sala aus ihrem gemeinsamen Roman „Aufprall“ lasen und ich mich seitdem mit dem durch die Wende ebenfalls untergegangenen West-Berlin vertraut zu machen versuche, hat mich Renate von Mangoldts Berliner Zeitvergleich besonders angesprochen.

Es geht eben um West-Berlin in den 70er und 80er Jahren einerseits und das heutige Gesamtberlin andererseits. Auf zwei Schwarz-Weiß-Fotografien, eine vom Ku’damm 1973 und eine von der S 3 1997, folgen zwei Farbaufnahmen, eine von der U 8 2021 und eine vom Ku’damm 2022. Die umherschweifende Fotografin hat eindeutig ein Konzept, dem sie glücklicherweise nicht so eindeutig folgt. So fotografiert sie 2021 nicht strikt immer denselben Ort wie 1974 – auch wenn sie das manchmal tut, wie im Fall des Hofs an der Meinekestraße oder des Lottoladens Radeland- Ecke Pausinerstraße – und dann fotografiert sie zwar denselben Ort, aber nicht aus derselben Perspektive wie etwa bei der Kongresshalle. Oft muss man zweimal hinschauen, um den Clou der Aufnahme oder das Vergleichsfoto zu finden.

Mangoldt betont den Eigenwert der Aufnahmen und zugleich die Subjektivität ihres Blicks, was unbedingt den Charme der vergleichenden Serien ausmacht, die ihren Charakter als Straßenfotografie nicht der Systematik opfern.

Renate von Mangoldt: „Berlin Revisited. ZeitSprünge 1972–1987/ 2021–2023“, Museum für Fotografie/Helmut-Newton-Stiftung, bis 1. 9. 24, Di.–Mi. 11–19 Uhr, Do. 11–20 Uhr, Fr–So. 11–19 Uhr, Jebensstr. 2, 6/12 €

Brigitte Werneburg