Der Kleinkrieg ist Programm

Die Zukunft des Filmkunsthauses Babylon bleibt ungewiss. Wegen des seltsamen Auswahlverfahrens von Kultursenator Flierl hat ein Gericht jetzt die öffentlichen Zuschüsse an den Betreiber gestoppt

VON CHRISTO FÖRSTER

Babylon lebt. Vor dem Eingang des altehrwürdigen Filmkunsthauses am Rosa-Luxemburg-Platz reihen sich hunderte junger Menschen in die Schlange vor der Kinokasse ein. Über den Bürgersteig wabert das für den Kiez so typische multikulturelle Sprachgewirr. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne tauchen die Szenerie in warmes Licht. Im Rahmen des goEast-Festivals läuft an diesem Abend die Preview des neuen Kusturica-Films. Später sollen DJs aus Belgrad auflegen.

Ein Kleinkrieg tobt

Eine Woche nach der Wiedereröffnung scheint das Babylon auf gutem Wege, sich einen exponierten Platz in der Berliner Kinolandschaft zurückzuerobern. Die Zuschauerzahlen stimmen optimistisch. Hinter den Kulissen des cineastischen Programms tobt jedoch ein kulturpolitischer Kleinkrieg. Streitpunkt ist das von Kultursenator Thomas Flierl (PDS) organisierte Auswahlverfahren, das Timothy Grossman zum neuen Betreiber kürte. Das Verfahren war nötig geworden, weil der langjährige Betreiberverein mit den städtischen Subventionen in Höhe von 320.700 Euro pro Jahr nicht auskam. Flier wollte neue Ideen.

Da die Förderung allerdings nur für kommunales Kino gilt, also für das Spielen von anspruchsvollen Filmen ohne längere Laufzeiten, richteten die meisten Bewerber ihre Konzepte entsprechend aus. Grossman, der mit einem Mischkonzept aus kommunalem und kommerziellem Kino antrat, war dann auch schnell aus dem Rennen. Die Findungskomission kam aber im Laufe des Verfahrens zu dem Schluss, dass man die Beschränkung auf kommunales Programm nun doch aufgeben müsse, um ein Überleben des Filmkunsthauses zu ermöglichen. Damit war Grossmans Konzept wieder im Rennen, die anderen Betreiber hatten das Nachsehen.

Gegen die Änderung der Voraussetzungen während des Auswahlverfahrens reichten drei Bewerber Klage ein; der alte Betreiber Filmkunsthaus Babylon e. V., ein Zusammenschluss von Hackeschen Höfen und Central-Kino sowie die EYZ Kino GbR. Sie fühlen sich benachteiligt und fürchten die Konkurrenz eines subventionierten Programmkinos Babylon, auch wenn formal nur der kommunale Teil gefördert wird.

Jetzt erreichten die Verlierer des Auswahlverfahrens einen ersten juristischen Erfolg: Das Verwaltungsgericht wies die Kulturverwaltung an, die Subventionszahlungen an Grossman vorerst zu stoppen. Die Zahlung einer ersten Tranche in Höhe von 106.000 Euro, die bereits angewiesen war, musste storniert werden. Die Kulturverwaltung prüft derzeit, wie man auf diese Entscheidung reagiert. Da ein Einlenken Flierls aber unwahrscheinlich ist, deutet alles auf eine langjährige juristische Auseinandersetzung hin.

Debatte im Ausschuss

Auf dem politischen Parkett wirbelt die „Babylon-Affäre“ ordentlich Staub auf. Während die CDU bereits einen Fragebogen zu den strittigen Punkten des Verfahrens präsentierte, beschäftigt sich der Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses am Montag erneut mit dem Kino. Diesmal hat die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag eingebracht, um Aufgaben und Perspektiven des Hauses zu definieren. Auch der alte Betreiberverein gibt keine Ruhe. Vorstandsvorsitzender Jochen Roemer vermutet nach wie vor Mauscheleien bei der Vergabe.

Grossman kann die ganze Aufregung nicht verstehen. Ihm gehe es ohnehin nicht um Politik, sondern einzig und allein um Kino. „Nur weil man neue Wege beschreitet, werden einem gleich Knüppel zwischen die Beine geworfen“, sagt er. Der studierte Filmdramaturg, der auch das Balázs betreibt und immer wieder an Open-Air-Projekten beteiligt ist, möchte im Babylon künftig gar Konzerte oder Fachseminare veranstalten: „In dem Gebäude stecken Millionen an Sanierungsgeldern. Es wird Zeit, dass dieser Ort wieder besucht wird.“ Der alte Betreiberverein habe zu wenig für das Programm getan und sich auf den Subventionszahlungen ausgeruht.

Dass die vorläufige Einstellung der Förderung sich auf den laufenden Betrieb des Kinos auswirkt, glaubt Grossman nicht. An seiner Vision von einer mehrdimensionalen Nutzung wolle er trotz der Querelen festhalten. „Langfristig sind wir aber auf das Geld vom Senat angewiesen.“

Schon mit der Premiere des Lichtefeld-Films „Playa del Futuro“ am 8. Juni erhält auch die Glamourabteilung der Branche Einzug in das Filmkunsthaus. Erwartet werden nicht nur Peter Lohmeyer und Nina Petri, auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit soll kommen. Kommunale Kleinkunst sieht anders aus. Zwar ist der historische Bau durch solche Veranstaltungen für die Zuschauer wieder attraktiv, nur die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Subventionen steht damit weiter im Raum.