Die Blusen des Bösen

Was trägt Deutschland? Brioni-Schröder? Kittel-Merkel? Vor der Wahl ist auch egal

Dass Angela Merkel länger durchhält als Hitler oder sogar Kohl, ist unwahrscheinlich

Neuwahlen ist ein lustiges Wort: In den drei Silben stecken zwei ganze Lügen. Zu wählen gibt es nichts, Neues erst recht nicht. Vielmehr treten im September 2005 verlässlich öde Altlasten an, um ihre nicht minder geistauslöschende Konkurrenz abzulösen. Freuen aber darf sich bald Gerhard Schröder: Nie wieder muss er öffentlich Focus-Redakteurinnen oder andere Haustierchen adoptieren.

Auch dass Antje Vollmer und Claudia Roth demnächst deutlich seltener der Öffentlichkeit zur Last fallen werden, kann niemanden stören, der Ohren am Kopf hat. Wer Herr seiner Sinne ist, hat erlebt und durchlitten, wie die beiden evangelischen Gemüsespieße antraten, um die Menschheit der Wahrheit zu berauben, dass Frauen intelligente, liebenswürdige Wesen sind. Ihr abscheulicher Plan ging nicht auf – wird allerdings weiter verfolgt von ihrer Schwester in Christo, Angela Merkel. Der Plumpsack geht um. Beziehungsweise ein Gespenst in Europa. Es heißt Kanzlerin Merkel. Allemagne zero points.

Angela Merkel, die Bundeskanzlerin werden will, stammt aus Templin, einem nordöstlichen Außenposten des brandenburgischen Bösen. Uckermark heißt die Region, die Abkürzung auf den Nummernschildern der Kraftfahrzeuge heißt UM, und so ist der Landstrich auch: UM-UM-UM tönt es aus dem Uckermärker heraus, wenn er sich verständlich zu machen versucht. Dumpf ist Trumpf in der Uckermark, im Uckermärker und in der Uckermärkerin.

Der Berliner muss Templin durchqueren, wenn er die mecklenburgische Feldberger Seenlandschaft erreichen will. Einmal, schon unterwegs auf dem Weg nach Feldberg, fiel mir ein, dass ich meine Hemden zu Hause vergessen hatte. Macht ja nichts, dachte ich optimistisch, wir kommen ja durch Templin, das soll eine richtige Stadt sein, da wird man doch ein Hemd bekommen. Also wurde Templin nach einem Hemd durchsucht, nein, durchwühlt, nach einem einfarbigen, möglichst weißen Herrenoberhemd aus Baumwolle, ohne Polyester, Nylon, Dralon oder andere Schweißverstärker.

Die Suche gestaltete sich schwierig, und als ich nach Stunden Besitzer eines einigermaßen tragbaren Hemdes geworden war, hatte ich zuvor so viel Elend gesehen, wie ich es mir niemals hätte träumen lassen. Was der Templiner und die Templinerin an Kleidung angeboten bekommen, treibt einem die Tränen der Verzweiflung in die Augen. Es ist in Templin schier nicht möglich, seiner äußeren Gestalt eine wenigstens rudimentär würdige Hülle und Form zu geben. Die Blusen des Bösen sind in Templin zuhause, ich habe sie gesehen. Und weiß also alles, was man über den Provinztrampel Angela Merkel wissen muss.

Man soll niemanden unterschätzen, auch Frau Merkel nicht, zumal sie ein politisches Ziehkind Helmut Kohls ist, der bei seinem Amtsantritt sträflich unterestimiert wurde, den man aber nach seiner Blei-und-Beton-Regentschaft ebenso übertrieben überhöhte – wahrscheinlich, um die Peinlichkeit auszugleichen, sich dieser Gestalt nicht früher entledigt zu haben. Von Helmut Kohl wird ein Satz bleiben, den er sich selbst in seine Memoiren hineinschrieb, die 2004 bei Droemer erschienenen „Erinnerungen 1930–1982“. Der Satz steht auf Seite 63 und soll hier noch einmal zitiert sein, wörtlich und ungekürzt: „Das Dritte Reich dauerte mit zwölf Jahren deutlich kürzer als meine eigene Kanzlerschaft, um nur die zeitliche Dimension einmal zu vergleichen.“ Für solche Selbstvergleiche mit dem Führer wird man von Kai Diekmann und Frank Schirrmacher ganz ironiefrei geliebt.

Dass Angela Merkel länger durchhält als Hitler oder sogar Kohl, ist unwahrscheinlich, aber in gefühlter Zeit sind vier Jahre Merkel ein Vierteljahrhundert. Ihr Kabinett wird eins des Doktor Caligari und des Grauens sein – sagenhaft, was da antritt und Macht haben will. Wen wird man in Zukunft häufiger hören und sehen müssen als jetzt? Das Frettchen Beckstein? Den Konfirmanden Wulff, mit dem befreundet zu sein sich Heinz-Rudolf Kunze brüstet? Die hessische braune Soße Roland Koch? Und was wird aus Westerwelle, der Mutation eines Liberalen?

Guido Westerwelles einzige Befähigung zu was auch immer ist sein Ehrgeiz. Wird seine rachitische Restseele sich also mit dem Amt des FDP-Parteivorsitzenden zufrieden geben? Oder wird er nicht doch der Welt als unerwünschter Besucher lästig werden wollen? Ich stehe nicht im Ruf, den Außenminister Fischer über Gebühr zu verehren, aber im Amt des Reise- und Weltinnenpolitik-Showbusiness Guido Westerwelle statt Joseph Fischer zu sehen, das ist Siegfried und Roy statt Frank Sinatra.

Wie immer die vorgezogene Bundestagswahl ausgehen wird im September: Die Welt, so sie auf Deutschland sieht, starrt unweigerlich ins Leere.

WIGLAF DROSTE