Hitze und Herrlichkeit

Abu Dhabi baut, was ihm gebührt: eine Nobelluftflotte und das teuerste, größte Luxushotel der Welt. Willkommen im Raumschiff Orient, wo Allah und die Clanältesten immer noch das Sagen haben

Hier hat fast jede Palme an den schnurgeraden breiten Boulevards ihren bewässernden Inder

VON VIOLA KEEVE

Das helle, kugelige Flughafengebäude von Abu Dhabi platzt aus allen Nähten. Es muss angebaut werden für Etihad Airways, die neue Luxusflotte von Sheik Khalifa bin Zayed al-Nahayan. Für 7 Milliarden Dollar hat das Herrscherhaus von Abu Dhabi dreißig neue Airbus-Maschinen gekauft. Das Ziel ist hoch gesteckt: In drei Jahren soll die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate eines der wichtigsten globalen Drehkreuze für Langsteckenflüge sein.

Stewardessen mit zartblauen Schleiern fahren auf Laufbändern vorbei an Männer in langen weißen Gewändern, Dishdashas. Souvenirshops verkaufen nickende Kamele. Willkommen im Raumschiff Orient, im klimatisierten Kunstwerk, im Übermorgenland am Golf. Erst kam das Öl, das Geld, der Rausch. Jetzt, nach 40 Jahren, muss der junge Beduinenstaat für die Zeit danach planen – nicht ohne Sorge.

Dubais Ölvorräte sollen 2020 erschöpft sein, Abu Dhabis reichen bis ins 22. Jahrhundert, schätzen Experten. Die größte Herausforderung junger Emirati werde es sein, ihren Lebensstandard zu halten, schreibt Mohammed al-Fahim in dem Buch „From Rags to Riches – A Story of Abu Dhabi“, bis 1994 Vizepräsident der Handelskammer im Emirat. „Sie müssen lernen, Dinge besser, billiger, effektiver zu tun als wir“, glaubt er. „Als Land haben wir nur einen Weg: vorwärts.“

Der zweitgrößte Ölproduzent der Welt will aufholen, den Anschluss an das glitzernde, vibrierende Dubai nicht verpassen. Dubai ist das arabische Las Vegas, Abu Dhabi die Regentenstadt, ein ruhiges Wüsten-Washington. Von hier fliegen viele Gastarbeiter nach Hause, Pakistani, Iraner, Iraker, Philippinen und Inder aus Bombay in Sportjacken mit bunten Turbanen.

Die blaugelb gekachelte Wartehalle hat etwas Wabenartiges. Vor Juwelen, Uhren, Designertaschen liegen viele zusammengesackt, schlafend auf Plastiksitzen. Zwischen Abflugzeiten wird ein mit Rosen umrahmtes Foto von Sheik Zayed eingeblendet. Im Herbst ist er gestorben, der Gründer, Visionär und Festiger der Emirate, ein Schock.

Die Briten hatte er vor über 30 Jahren erst angefleht, zu bleiben, sogar Geld für ihren Schutz angeboten, wohl wissend, wie verwundbar die kleinen Ölstaaten sind. Vergeblich. Der Überfall Saddam Husseins auf Kuwait 1992 erfüllte alle seine Befürchtungen. Seine Diplomatie erst machte aus der Region, was sie ist: das Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Erde, den gigantischen Gartenstaat am Golf, Petropolis.

Hier sind Straßen schnurgrade, breit, palmengesäumt. Fast jede Palme hat ihren bewässernden Inder, sagen böse Zungen. Und: Keine Nation habe sich mehr vom Leben entfernt als diese hier.

Menschen säßen isoliert in verspiegelten Autos, Häusern, Büros, zwischen ihnen lägen jetzt Welten. Frauen würden wie Stallhasen gehalten. Der fremde Blick aus dem Westen ist hart, ungerecht, vielleicht, weil vieles hier so unmöglich, unwirklich scheint, das Tempo, mit dem Gegensätze, Hindernisse verschwimmen, ist rasant.

Das Nichts der Wüste ist beliebig formbar, ein sengender Spielplatz für Stadtplaner, Sandkasten für Träumer. Im Mekka der muslimischen Häuslebauer schrauben sich immer neue Gebäude in Höhe, wo doch Platz wäre, anders als in Manhattan. Wegen des Schattens? Oder des Eillaufs mit dem emsigen Nachbarn? Dubai baut gerade den höchsten Turm der Welt und das „achte“ und „neunte“ Weltwunder, die Immobilieninseln „Palm“ und „World“. Wo britische Fußballer wohnen werden und deutsche VIPs, wurden Tonnen von Sand ins Meer gepustet, das neue, gelbe Gold.

Abu Dhabi errichtet dagegen in wenigen Monaten die größte Moschee der Welt und öffnet jetzt die Pforten des Emirates Palace, des teuersten, größten Hotels des Globus. „So etwas hat die Welt noch nicht gesehen“, sagt Willy Optekamp aus Koblenz. Er ist der General Manager der Sieben-Sterne-Herberge, die auch Kongresszentrum und Residenzpalast der Herrscherfamilie ist, betrieben von der deutschen Kempinski-Kette, die sich mit luxuriösen Grandhotels auskennt.

„Mein Job ist in der Branche doch ein Traum“, sagt der junge Sechziger, immer ein Ohr am Handy, durch die Gänge eilend, ein Marathonläufer, den die Größe des Wurfs selbst berauscht. Im März stand hoher Besuch ins Haus: „Da kamen neun Könige, keine Sultane, richtige Könige.“ Sie haben eine eigene Einfahrt, die dem Gate of India in Bombay ähnelt, größer ist als der L’Arc de Triomphe – und „completely abgeriegelt“, versichert Optekamp.

Von außen wirkt der sandsteinfarbene Palast wie ein klotziges Märchenschloss, abends rosa, gelb, lila, grün und blau beleuchtet. Innen aber glänzt es dezent, in Gold, Creme, Apricot, Hellblau und zartem Türkis. Dagegen ist Dubais Burj al-Arab ein buntes Osterei. Kilometer von Blattgold, Marmor, edle Teppiche aus Thailand und tausend Swarowski-Lüster wurden verbaut. „Sechs Leute sorgen nachts dafür, dass alle 200.000 Glühbirnen leuchten“, sagt Optekamp.

Am 1,3 Kilometer langen Privatstrand und am Yachthafen stehen 8.000 Palmen aus Südafrika, den Wagen der Gäste öffnen hoch gewachsene Kenianer, zwei Meter große Savannenkrieger. Vier von vierzig gecasteten Models aus Mauritius, Weißrussland oder Bulgarien, erklärt der Hotelchef, kurz: „Willys Mädchen“, bieten marokkanischen, asiatischen Tee, Kaffee und heiße Schokolade an. Den Kakao serviert eine Deutsche im Dirndl.

Während Optekamp Anweisungen in das mit einer arabischen Melodie klingelnde Handy ruft, sprudelt er Zahlen herunter: 394 Zimmer gibt es, davon 7 Royal-Suiten mit einer Fläche von 1.200 Quadratmetern, 200 Springbrunnen, 260 Schneider, 100 Köche, IT-, Bade- und Leisure-Butler, die Gästen die Sonnenbrille abwischen und fünf Sorten Lotion zum Eincremen reichen. 7.000 Flachbildschirme, Wireless überall, sowieso, 3.000 gespeicherte Musiktitel, 100 Hörbücher, 25 aktuelle Filme.

Willy Optekamp stürzt die Gänge aus spiegelglattem, schwarzweißem Marmor entlang: „Wir haben hier einen Chateau Petrus für 160.000 Euro von 1961.“ Der Personal Trainer kommt aus New York, ist der Cousin von Bob Marley und Fitnesscoach von Tom Cruise. Alle drei Tage rollen 18.000 lachsfarbene Rosen aus der Oase al-Ain an, die teuerste Suite kostet 10.000 Dollar pro Nacht. Es geht um Superlative, höher, schöner, weiter.

Allein die 62-Meter-Kuppel, größer als die des Petersdoms, zu reinigen, ist eine Kunst für sich. „Wir haben dafür 50 Bergsteiger eingeflogen, aber auf Dauer kostet das zu viel“, sagt Optekamp. 1.200 Gäste fasst das Auditorium, 2.800 der Ballsaal. „Für große Bankette brauchen wir 150 Lämmer am Tag oder junge Kamele“, sagt der Chef des goldenen Palastes, der einer fürs Volk sein soll. „Wir checken natürlich jedes Auto, aber im Prinzip ist das hier für jeden offen.“

Warum nicht auf einen Kaffee für 12 Euro vorbeischauen oder auf eine Schokoladentorte mit Mangosirup, eigens vom französischen Patissier gefertigt? Die hat herben Schmelz, 87 Prozent Kakao. Die Sahne wird auf dem Trolley am Platz frisch geschlagen, „wie früher im Grandhotel“, erklärt Günter Gebhard, 35. Der Wirtschaftsdirektor kommt aus dem Berliner Adlon und räumt ein: „Klar, dieses Haus hat keine Geschichte wie das Adlon. Aber hiermit schreibt man Geschichte. Das arabische Dekor ist zeitlos, mächtig. Das hält. Wie wollen Sie Marmor kaputt kriegen?“

Hybris, Hitze und Herrlichkeit heißt das Kapital der geschäftstüchtigen Wüstennomaden, die Palmhütten gegen Paläste und Kamele gegen Cadillacs getauscht haben. Glaubt man mit der Hybris eines Europäers. Natürlich. Hier stehen goldene Polizeiautos, gläserne Malls, „Pearly Shine“-Dentalkliniken, Häuser mit Golfbällen auf dem Dach, überdimensionale Schnabelkannen und Kanonen aus Beton. Tankstellen gleichen Disneyburgen – Kinderkitsch im Sandland zwischen weißen Wolkenkratzern, Minaretten und Metallkuppeln.

Dahinter steckt ein Traum: endlich Eigenes hinterlassen, bleiben. „Die Vergangenheit aus der Sicht unserer Vorfahren ist für immer verloren“, schreibt Mohammed al-Fahim in seinem Buch über Abu Dhabi, „weil unsere Väter nicht lesen und schreiben konnten. Jetzt haben wir andere Möglichkeiten.“

So fortschrittlich es am Golf zugeht, es kann kaum darüber hinwegtäuschen: Nomaden hingen schon immer von anderem ab, vom Wetter, dem Schutz der Stammesältesten. Wer in der Wüste überleben wollte, wusste, dass er allein verloren war. Er musste loyal, aber auch wachsam, misstrauisch sein. Alles kann sich blitzschnell ändern – wie der Wind. Deshalb musste man auf zwei Dinge vertrauen: Allah und den Clanältesten. Mit Bürokratie, Verstädterung der Emirati wuchs die Unsicherheit. „Die neuen Institutionen und Behörden mussten den Menschen zeigen, dass sie das Vertrauen wert waren“, schreibt al-Fahim.

Anreise: Etihad Airways fliegt dreimal wöchentlich von München (zurück via Genf) nach Abu Dhabi, ab 467 Euro, www.etihadairways.com info.emirates@kempinski.com, www.emiratespalace.comPauschal: Tischler Reisen, Spezialist für Asien und Arabien, Tel. (0 88 21)93 17 0, www.tischler-reisen.de