Eugen Egner
: Am Tag der wunschlosen Enge

Vieles hatte sich verändert, auf nichts war Verlass. Der Hauseingang befand sich fast nie an derselben Stelle, und hatte ich ihn endlich gefunden, wusste ich nicht, was mich als Nächstes erwartete. Zu meiner Wohnung ging es oft nach unten, mal über Treppen, mal über eine Rutschbahn, genauso gut konnte der Weg auch in die Höhe führen.

An dem Tag, von dem hier die Rede sein soll, empfing mich eine breite, geradlinig über mindestens zwei Stockwerke aufragende Treppe aus hellem Holz. Ich fühlte mich, nebenbei bemerkt, an ein Kino erinnert, das ich in meiner Jugend gekannt hatte. Mir blieb nichts anderes übrig, als Stufe um Stufe hinter mich zu bringen. Am oberen Ende der Treppe gelangte ich in einen Garten. Wo zum Teufel war jetzt wieder meine Wohnung?

Die endlosen Veränderungen von allem und jedem zerstörten allmählich meinen Lebenswillen. Wenigstens hatte ich, was mich selbst betraf, den Eindruck, unverändert die Person zu sein, die zu sein ich gewohnt war.

In dem Garten hielten sich etliche mit unverständlichen Tätigkeiten beschäftigte Menschen auf. Dabei erzeugten sie ein lautes Summen, wie ich noch keines gehört hatte. Von früher wusste ich: „Etwas summt entsprechend den Voraussetzungen seiner Manifestation.“ Und weiter: „In seinem eigenen Zustand erschafft es ein sogenanntes Leben“ (oder Skelett?).

Eine Frau, die ich als die Witwe meines ältesten Freunds zu erkennen glaubte, kam auf mich zu und sagte: „Es wäre uns eine große Freude, wenn Sie uns die Ehre gäben, an unserer heutigen Feier zum Tag der wunschlosen Enge teilzunehmen.“ Sie schien meine Gedanken zu kennen, denn sie fuhr fort: „Sie könnten selbst ein Summen sein.“

„Nein“, widersprach ich, „ich brauche kein Summen zu sein. Es genügt mir, damit verbunden zu sein wie beispielsweise das äußere Bewusstsein mit dem Ohr.“ – „Dabei entstehen menschliche Gedanken, die als Abfall bezeichnet werden können.“ – „Ich bin nun einmal ein Mensch.“ „Das sind wir nicht“, sprach die vermeintliche Witwe meines ältesten Freunds.

Zweifellos meinte sie damit die im Garten Versammelten und mit unverständlichen Tätigkeiten Beschäftigten. Ich überlegte, ob ich die Einladung trotzdem annehmen sollte. ‚Es geschähe aus purer Höflichkeit‘, dachte ich, ‚viel lieber wäre ich in meiner Wohnung, wo es nicht summt.‘ Doch die musste ich erst einmal finden.

Bevor ich eine Entscheidung treffen konnte, trat der Konditor vor mit den Worten: „Weitere Informationen sind fertig: Wir leben von der Hand im Mund. Das hat uns die Ziege gesagt.“ Die Frau, die unmöglich die Witwe meines ältesten Freunds sein konnte, schwärmte: „Die Hand nährt uns. Sie gibt uns vom Dach des Herrn.“

Was „die Ziege“ ihnen aber verschwiegen hatte, war, dass die Hand im Mund die Worte würgte und den Schlund schloss. Mehr kann ich nicht zu der Sache mitteilen. Es tut mir aufrichtig leid.