Erdgasförderung im Wattenmeer: Unesco protestiert gegen Gasbohrung

Im Kampf gegen die Erdgasbohrungen vor Borkum klagen Umweltverbände gegen die Genehmigung eines Seekabels – und mobilisieren die Unesco.

Inseln im Wattenmeer aus der Luft

Noch ist es Weltnaturerbe: Wattenmeer der südöstlichen Nordsee um die Inseln Borkum und Juist Foto: allOver-MEV/Imago

HANNOVER taz | Im langen Streit um die geplante Gasbohrung vor Borkum nahe dem Nationalpark Wattenmeer hatten die Umweltverbände am Freitag gleich zwei Neuigkeiten zu verkünden. Zum einen hat sich die Unesco kritisch zum Umgang mit dem Weltnaturerbe Wattenmeer geäußert. Zum anderen geht der Rechtsstreit um eine der notwendigen Genehmigungen in eine neue Runde.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat beim Verwaltungsgericht Oldenburg Klage gegen die niedersächsische Landesregierung eingereicht. Dabei geht es nicht um die Bohrung selbst, sondern um die Genehmigung eines Seekabels, das die Bohrplattform mit Strom aus dem Offshore-Windpark Riffgat versorgen soll.

Die Verlegung dieses Kabels war eigentlich schon 2022 genehmigt worden. Doch neu entdeckte schützenswerte Steinriffe machten eine Erweiterung der Genehmigung notwendig. Die Deutsche Umwelthilfe, der BUND und die Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland hatten schon gegen den Antrag des niederländischen Konzerns One-Dyas geklagt und das Projekt damit vorerst gestoppt.

Vor gut einem Monat, am 19. Juni, verkündete der zuständige Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) dann jedoch, die Genehmigung erteilt zu haben und ordnete den sofortigen Vollzug an. Die Genehmigung wurde modifiziert, One-Dyas musste höhere Ausgleichszahlungen leisten. Dagegen wendet sich jetzt die Klage der Umweltverbände, die auch ein Eilverfahren anstreben.

CEO greift Minister an

Die Genehmigung für die eigentliche Gasförderung steht noch aus. Hier läuft noch das Planfeststellungsverfahren beim Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Das ist notwendig, weil die Bohrplattform zwar auf niederländischem Gebiet steht, das zu fördernde Gasfeld aber zur Hälfte auf niedersächsischem Gebiet liegt.

Auch in den Niederlanden ist das Verfahren seit 2022 bereits durch mehrere Instanzen gegangen. Gegen die Genehmigung durch das niederländische Wirtschaftsministerium hatten Umweltverbände aus Deutschland und den Niederlanden sowie die Insel Borkum zunächst erfolgreich geklagt. Ein Verwaltungsgericht befand die Umweltverträglichkeitsprüfungen für unzureichend und verhängte einen Baustopp. Dieser wurde jedoch vor gut einem Monat, am 21. Juni, vom obersten Verwaltungsgericht in Den Haag aufgehoben, nachdem auch hier nachgebessert worden war.

One-Dyas verkündete daraufhin prompt, die Bauarbeiten jetzt energisch vorantreiben zu wollen – immerhin ist ein Förderbeginn für Ende 2024 geplant.

Erst vor zwei Wochen hatte die Deutsche Umwelthilfe ein Schreiben öffentlich gemacht, in dem der CEO des niederländischen Konzerns Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und seine zuständigen Minister Olaf Lies (SPD) und Christian Meyer (Grüne) massiv angreift und mit Schadensersatzklagen droht, sollten sich die Genehmigungen weiter verzögern.

One-Dyas hat nach eigenen Angaben bereits 300 Millionen Euro in das Projekt investiert. Vor allem unter dem Eindruck der durch den russischen Angriffskrieg ausgelösten Gaskrise schien das Projekt eine Zeit lang so viel politischen Rückenwind zu haben, dass die Genehmigung fast sicher schien.

Dagegen wehren sich verschiedenste Umweltverbände mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln. Auch die Rüge der Unesco geht auf eine Beschwerde von Naturschützern zurück, beteiligt war unter anderem der Nabu Niedersachsen. Bereits im vergangenen Jahr hatte sich das zuständige Unesco-Komitee kritisch zum Umgang mit dem Wattenmeer geäußert, nun verabschiedete es am Donnerstag auf seiner Sitzung in Neu-Delhi eine entsprechende Protestnote.

Bessere Abstimmung der Anrainer

Kritisiert wird vor allem, dass kumulative Effekte der einzelnen Projekte nicht ausreichend berücksichtigt werden. So werde nicht untersucht, wie sich eine mögliche Absenkung des Meeresbodens durch Gas-, Öl- und Salzförderung im Zusammenspiel mit dem klimabedingten Meeresspiegelanstieg auswirkt.

Überhaupt sei der Abbau dieser Rohstoffe mit dem Status als Weltnaturerbe unvereinbar – und das gelte auch für Gebiete in unmittelbarer Nachbarschaft zum ausgewiesenen Schutzgebiet. Auch die zunehmende Nutzung für Windenergieanlagen wird kritisch gesehen. Um die Eingriffe so gering wie möglich zu halten, müssten sich die drei Wattenmeer-Anrainerstaaten Niederlande, Deutschland und Dänemark bei der Entwicklung der Anlagen und der Anbindung an das Festland besser abstimmen.

Auch der Nabu fordert schon länger, Kabeltrassen und Pipelines vorzugsweise in den Fahrrinnen von Ems, Weser und Elbe zu verlegen, wo der Meeresboden ohnehin schon geschädigt ist. Unmittelbare Folgen hat der kritische Bericht des Unesco-Komitees allerdings vorerst nicht – bis zur Aberkennung des Welterbe-Status müsste noch einiges passieren. Und noch sind nicht alle Gerichtsverfahren entschieden.

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