Demokratie in der Zukunft: Rücktritt verboten

Regierende sollten zurechnungsfähig sein und keine Verbrecher – würde man denken. In Zukunft regiert man aber nur noch aus dem Knast oder Koma.

Blick durch Gitterstäbe

Sicher im Knast Foto: Sven Eckelkamp/imago

Wir schreiben das Jahr 2061. Für die Regierungen der Welt hat man einen pfiffigen Modus Operandi gefunden. Man wählt bewusst nur noch die untauglichsten Staatsoberhäupter ins Amt. „In the olden times“ (Shakespeare), sprich den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts, erwartete man in Demokratien zumindest noch offiziell, dass diese weder von Unzurechnungsfähigen noch von Verbrechern geführt würden. So jemand könne kein großes Land regieren.

Das ist jedoch die falsche Prämisse: Die sollen ja auch gar kein großes Land regieren, und nicht mal ein kleines. Es ist ohnehin viel zweckmäßiger, das Regieren hochkompetenten Expertenteams zu überlassen, die bereits tief in der Materie der jeweiligen Ressorts stecken, und nicht irgendwelchen Heinis, die mal BWL studiert, das „Dschungelcamp“ absolviert oder Bronze im Gewichtheben gewonnen haben. Das wirkte eh immer reichlich unseriös.

Besser ist es also, diese sogenannten Regierungschefs lassen grundsätzlich die Finger von Beschlüssen aller Art. Das wiederum erscheint desto selbstverständlicher, je desolater die geistige oder charakterliche Verfassung des betreffenden Kandidaten ist.

Knast oder Koma

Ursprünglich wurzelt diese Erkenntnis im US-Wahlkampf 2024 zwischen Trump und Biden. Der eine ein Schwerstkrimineller, der andere altersbedingte Ausfälle zeigend. Der Rückzug Bidens zerstörte dieses Gleichgewicht der Untauglichkeit und führte zu Trumps Wiederwahl. Seitdem hat sich endgültig durchgesetzt: Am attraktivsten ist ein Premier, Kanzler oder Präsident, wenn er im Knast sitzt oder im Koma liegt.

So war der erste AfD-Bundeskanzler in Deutschland 2029 vom Hals aufwärts komplett gelähmt, und vom Hals abwärts ganz. Das Sprachzentrum war zerstört. Noch unerfahren mit der neuen Regierungsform, traf man die Entscheidungen zunächst nach der Form seines Stuhlgangs. Doch das waren zum Glück nur Geburtswehen eines Ansatzes, der sich später tausendfach bewährte. Allerdings gehen Puristen heute sogar noch weiter. Für sie ist nur ein toter Staatschef auch ein guter Staatschef.

Oder er hockt im Gefängnis. Denn solange sich ein Präsident im verschärften Arrest befindet, weil er Alkohol aus altem Toastbrot an die Mitgefangenen verkauft hat, dürfte es ihm schwer fallen, die Nato zu zerschlagen und Europa an die Russen zu verkaufen. Und auch zurück im Normalvollzug dient es der Regierungsqualität, wenn destruktive Erlasse nur während der Besuchszeiten unterzeichnet werden können.

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Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.

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