Damentennis als Verschiebemasse

Eines der größten Damentennis-Turniere Deutschlands fand in Hamburg lange keinen passenden Veranstaltungsort. Der ist nun gefunden, aber der schlechte Eindruck bleibt

Nun soll das Turnier doch nicht im Stadtpark, sondern hier stattfinden: Tennisanlage am Rothenbaum Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Von Lisa Bullerdiek

Für den Frauensport in Deutschland war das nicht gerade ruffördernd: Eines der wichtigsten Damentennis-­Turniere, das „ECE Ladies Hamburg Open“, hat im vergangenen Jahr einfach keinen Austragungsort finden können. Zuerst wurde es vom Männerturnier von ­seiner ­eigentlichen Spielstätte am ­Rothenbaum vertrieben. Dann verdrängte Deutschrapper Finch Asozial die Spielerinnen aus dem Hamburger Stadtpark.

In für Turnierverhältnisse letzter Minute, vor einem Monat, war dann klar, dass die Frauen doch am Rothenbaum spielen können. Allerdings später als geplant und in einer niedrigeren Turnierklasse. Ende gut, alles gut also. Trotzdem hält sich der Eindruck, mit den ­Damen könnte man Tetris spielen, während das Männerturnier gepusht wird.

Das passt gut in das Bild der ungerechten Sportlandschaft. Man kann Ungleichheit im Tennissport zu Recht kritisieren, aber nicht am Beispiel des Turniers am Rothenbaum. Denn die Probleme hier entstanden aus einer Mischung aus Olympia-Terminkalender, Lizenzrechten und genervten Nachbarn.

In Deutschland gibt es vier große Damentennis-Turniere in Stuttgart, Berlin, Bad Homburg und eben: Hamburg. Seit 1896 treten hier bereits Frauen gegeneinander an. Zwischendurch geriet das Turnier fast in Vergessenheit, fand 19 Jahre lang gar nicht statt. Dann übernahm die Familie Reichel mit ihrer Firma „Matchmaker“ die Veranstaltung. Ab 2019 organisierte sie ein Frauenturnier in Hamburg, ab 2021 zusammen mit dem Herrenturnier als „combined event“ im Tennisstadion am Rothenbaum.

In das Stadion mit Sandplatz passen 10.000 Zuschauer:innen. Besonders das Damenturnier sei seit 2021 wichtiger geworden, schreibt Matchmaker-Chefin Sandra Reichel auf Anfrage der taz: „Anders als 2021, als vielen Spielerinnen gar nicht mehr bekannt war, dass Hamburg eine Tennisstadt ist, hat sich unser Turnier mittlerweile auch unter den internationalen WTA-­Spielerinnen herumgesprochen.“

Die Sprecherin der Sportbehörde, Kim-Katrin Hensmann, erklärt Hamburg gar zur ­Damentennis-Hauptstadt Deutschlands: Mit vier Hamburgerinnen in den Top-200 der Weltrangliste, die alle zum Club an der Alster gehören, sei die Stadt ein „perfekter Standort für die Austragung eines internationalen Frauenprofitennisturniers“.

Noch verwirrender also, dass eine Veranstaltung, die jährlich tausende Be­su­che­r:in­nen anzieht und die Stadt repräsentiert, in einem solchen Hin und Her gefangen war. Das hatte aber nachvollziehbare Gründe.

Ursprung des Tetris-Spiels war es, dass die Agentur Matchmaker“ die Lizenz für die Ausrichtung des Herrenturniers verloren hatte. Das Frauenturnier richtet sie aber weiterhin aus. Das Damen- und Herrenturnier zusammen zu veranstalten, gestaltet sich schwierig, wenn zwei Firmen mit unterschiedlichem Ethos und verschiedener Strategie zusammenarbeiten sollen.

Die Lizenz für das Herrenturnier wird vom Deutschen Tennisbund (DTB) vergeben. Sprecher Benjamin Reister sagt dazu, die neue spanische Agentur Tennium habe nach Ablauf der Lizenz ein besseres Angebot gemacht als Matchmaker. „Grundlage der Entscheidung für Tennium waren, neben dem wirtschaftlichen Angebot, die Erfahrung in der Organisation großer Tennisveranstaltungen, die enge Zusammenarbeit mit Spie­le­r:in­nen und Wirtschaft, sowie die innovativen Ideen zur Weiterentwicklung des Turniers am Standort Hamburg.“

Die Lizenz für das Frauenturnier kann der DTB nicht vergeben, das macht der Frauenbund. Deshalb ist es nicht so, dass der DTB die Frauen links liegen ließ. In dem Fall haben sich zwei Tennisbünde einfach für unterschiedliche Veranstalter entschieden.

Nun gab es den Versuch, das Damenturnier trotzdem am ­Rothenbaum stattfinden zu lassen. Das verhinderte zunächst der enge Kalender im Olympiajahr 2024. Weil das Hamburger Turnier in einer hohen Klasse angesiedelt ist, darf es nicht parallel zu den Olympischen Spielen in Paris stattfinden. Und die geräuschempfindlichen Nachbarn am Rothenbaum haben dafür gesorgt, dass sowieso nur an wenigen Tagen im Jahr der Tennisplatz mit voll besetzten Rängen bespielt werden darf.

Man kann Ungleichheit beim Tennis kritisieren, aber nicht am Beispiel Rothenbaum

Ein alternativer Austragungsort war schnell gefunden. Im November 2023 verkündete Sandra Reichel, dass das „ECE Ladies Hamburg Open“ 2024 im Stadtpark stattfinden solle. Die Euphorie war groß. Reichel sprach von einer „Traum-Location“.

Für den gleichen Zeitpunkt waren im Park jedoch bereits zwei Konzerte von Finch Asozial geplant gewesen. „Ein lautes Rapkonzert und ein Profitennisturnier gleich nebenan – das passt nicht“, schreibt Behördensprecherin Hensmann.

Also alles wieder auf Anfang. Letztendlich wird das WTA-Turnier nun doch im Tennisstadion am Rothenbaum stattfinden: vom 4. bis zum 11. August. Das ist möglich, weil die Betreiberfirma um Sandra Reichel ihre Lizenz getauscht hat. In der rumänischen Stadt Iași wird in diesem Jahr deshalb ein hoch dotiertes Turnier der Klasse 500 stattfinden und in Hamburg dafür ein kleineres 125er-Event.