Trump wäre teuer

Als US-Vizepräsidentin hat Kamala Harris den wirtschaftspolitischen Kurs von Joe Biden gestützt. Im Fall eines Wahlsieges würde sie ihn wohl fortsetzen

Kamala Harris auf einem Fernsehmonitor

TV-Monitor in der New Yorker Börse: Könnte Kamala Harris Donald Trump verhindern? Foto: Spencer Platt/afp

Von Simon Poelchau

Kamala Harris sagt offen, was sie von Freihandelsabkommen hält. Und das schon länger: „Ich hätte nicht für Nafta gestimmt“, erklärte sie bereits 2019. Nun ist sie die voraussichtliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten. Nafta steht für „North American Free Trade Agreement“, das 1994 in Kraft getretene Freihandelsabkommen zwischen Kanada, Mexiko und den Vereinigten Staaten.

Nafta war auf US-Seite eigentlich eine republikanische Initiative, doch unterschrieb letztlich Bill Clinton das Abkommen, weshalb es vor allem mit dessen Amtszeit in Verbindung gebracht wird. Nafta ist deshalb für die US-Demokraten so etwas wie Hartz IV für die SPD. Denn Nafta führte zu einer Deindustrialisierung der USA und vernichtete hunderttausende gut bezahlte Industriejobs, weil die Unternehmen mit der Produktion ins billigere Mexiko abwanderten. So zumindest eine Erzählung, die bei den Wäh­le­r*in­nen verfängt. Donald Trump wurde 2016 US-Präsident, auch weil er die Wahlen im sogenannten Rust Belt für sich entschied.

Auch Joe Biden grenzte sich deshalb in der Vergangenheit von Nafta ab. „Tatsache ist, dass Nafta nicht der Deal war, der verkauft wurde“, sagte er im Präsidentschaftswahlkampf vor vier Jahren gegenüber CNN. Sein vor zwei Jahren verabschiedeter Inflation Reduction Act (IRA) kann auch als Versuch angesehen werden, den durch Nafta entstandenen Schaden wieder gutzumachen. Rund zwei Billionen US-Dollar will er im Rahmen dieses Investitionsprogramms mobilisieren, um gleichzeitig die Energiewende voranzutreiben und die Wirtschaft anzukurbeln. „Der soziale Aspekt ist beim IRA sehr wichtig“, sagt Tom Bauermann vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Das Programm koppele zum Beispiel die Förderhöhe für den Ausbau erneuerbarer Energien oder der industriellen Fertigung von Klimaschutztechnologien an Kriterien wie die Entlohnung und eine hohe Ausbildungsqualität.

„Damit soll der IRA gezielt gewerkschaftlich organisierte, gut bezahlte Beschäftigung fördern und die Akzeptanz steigern“, so Bauermann. Klimaschutz und Beschäftigung werden dabei nicht gegeneinander ausgespielt. Im Gegenteil: „Der IRA soll Klimaschutz, die Stärkung der Wirtschaft und die soziale Teilhabe miteinander verbinden und stärken.“ Der Ökonom ergänzt: „Kamala Harris hat das als Vizepräsidentin mitgetragen und öffentlich gestützt“. Er gehe davon aus, dass die 59-jährige im Falle eines Wahlsiegs an dieser Politik festhalten würde. Erste Aussagen von ihr deuten darauf hin. „Die Stärkung der Mittelschicht wird ein entscheidendes Ziel meiner Präsidentschaft sein“, versprach Harris am Dienstag im Swing State Wisconsin bei ihrer ersten Rede als mögliche Kandidatin.

Im Wahlkampf wird es darum gehen, dies den Wäh­le­r*in­nen glaubhaft zu vermitteln. Eigentlich gibt die konjunkturelle Lage den Demokraten recht. Voriges Jahr wuchs das Bruttoinlandsprodukt um 2,5 Prozent, die Arbeitslosigkeit ist niedrig und auch die Inflation geht zurück. „Das Weiße Haus tut sich aber schwer, diese Erfolge in der Breite zu vermitteln“, sagt Bauermann. So vertrauen die US-Bürger*innen laut Umfragen in Wirtschaftsfragen eher Donald Trump.

„Trotz sinkender Inflationsrate bleibt das Preisniveau hoch. Das lastet auf den Haushalten und wird der aktuellen Biden-Regierung angelastet“, sagt Hubertus Bardt, Geschäftsführer des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Auch er glaubt, dass Harris im Falle eines Wahlsieges die Wirtschaftspolitik Bidens im Großen und Ganzen fortführen würde. Ob es ihr gelingen könnte, neue Akzente zu setzen, bezweifelt er aber: „Eine ambitionierte Klimapolitik zum Beispiel durch die Einführung eines Emissionshandels oder CO2-Preises ist unwahrscheinlich.“ Einen zweiten IRA hält er ebenfalls für unrealistisch, weil die hohe Verschuldung der US-Wirtschaftspolitik zunehmend Grenzen setze. Zudem müsste Harris damit rechnen, dass sie keine Mehrheit im Kongress hat und die Republikaner ihren Handlungsspielraum einengen.

US-Bürger*innen vertrauen in Wirtschaftsfragen eher Trump

Bardt bezeichnet Harris und Biden in einer gerade veröffentlichen Analyse als „gemäßigt-protektionistisch“. Große Konflikte wie mit Trump, der die EU in seiner ersten Amtszeit mit Sonderzöllen überzog und nun einen universellen Zoll von 10 Prozent auf alle Importe einführen will, wären mit Harris wohl nicht zu erwarten. Aber dass der Handelskonflikt zwischen den USA und China eskaliert, wäre auch bei ihr nicht ausgeschlossen.

Letztlich wäre ein Sieg der Demokratin Harris für Deutschland und die EU trotzdem wohl auch wirtschaftlich von Vorteil. Denn eine zweite Amtszeit Trumps könnte die deutsche Wirtschaft bis zu 150 Milliarden Euro kosten, berechnete das Institut der deutschen Wirtschaft kürzlich.